Dark Light

Sven Brunner hat mit „Nick & Nora – Spirituosen“ das erste richtige Spirituosen-Fachgeschäft in Karlsruhe eröffnet. Ein Gespräch über Wissenschaft, Rausch und Reue, und die geheimste aller Drink-Zutaten: Leidenschaft.

„Und wir trinken immer viel zu viel / Doch wir seh’n gut dabei aus / Ja, wir tun das mit Stil“, sang Gisbert zu Knyphausen auf seinem selbstbetitelten Debütalbum in „Seltsam durch die Nacht“. First world problem, No. 1411: Die Rechtfertigung des eigenen Alkoholismus. Sven Brunner hat vor nicht allzu lange Zeit den ersten richtigen Schnapsladen in Karlsruhe eröffnet. Wo es Weinhändler zuhauf gibt, setzt Sven auf Rum, Gin, Wermut und Mezcal. Nirgendwo gibt’s also mehr Prozente als bei „Nick & Nora – Spirituosen“, so der Name seines Geschäfts in der weststädtischen Körnerstraße. „Nick & Nora“, klingelt’s da? Filmkenner und Drinkliebhaber wissen, dass es sich bei den beiden Namen um die jener der Hauptgestalten im Film „Der dünne Mann“ von 1934 handelt. Es ist ein Jahr nachdem die US-Prohibition endete und die Protagonisten feiern und saufen wieder ganz legal.

Sven ist nicht blöd, Sven weiß, dass er als Betreiber eines Spirituosenfachgeschäfts auch eine gesellschaftliche Verantwortung trägt. Lasst uns den oberen Absatz streichen, oder zumindest teilweise mit dem Etikett „Obacht, Ironie“ kennzeichnen. Denn freilich hat Sven seinen Laden nicht zur Alkoholismusförderung eröffnet, sondern als Urban Refuge für Genießer, sozusagen. Für Menschen, die ihre Home Bar ordentlich ausstatten möchten und mit Freunden gerne einmal im gesitteten Rahmen etwas trinken. Also nix mit „Zicke-zacke-zicke-zacke-Oioioi“ und „Zur Mitte, zur Titte …“ – sondern eben genau Gegenteiliges. Das Recht auf Rausch infrage zu stellen ist der falsche Ansatz, vielmehr kann, sollte, muss vielleicht sogar letztlich schlicht der Genuss im Vordergrund stehen, um die Gefahren des Alkoholkonsums zu mindern.

Wenn die „Sendung mit der Maus“ einen Beitrag zum Thema „Hochwertige Spirituosen für echte Genießer-Drinks“ drehen würde, er fände im Hause „Nick & Nora“ statt. Armin und Klaus im grünen Pulli, würden gemeinsam am Chartreuse nippen, dann einen Hendricks-Tonic genießen, bevor sie gemeinsam mit Sven in die Welt des Rums eintauchen und beim Mai Tai hängenbleiben. Wir haben Armin und Klaus gespielt und Sven interviewt, um zu verstehen, was hinter seiner Art des Konsums steckt.

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Kavantgarde: Prost, Sven! Worum geht es dir denn beim Trinken?
Sven: Darum, sich mit dem Drink zu beschäftigen, sich nicht einfach zu betrinken, sondern darum, sich mit den „Einzelteilen“ eines Cocktails zu auseinanderzusetzen. Bei einem Mai Tai lässt man sich beispielsweise verschiedene Sorten Rum reichen, schmeckt nach und fängt an zu verstehen, wie ein Cocktail letztlich konstruiert ist. Dass eine Einzelzutat soviel ausmacht für das Gesamte, dass ist schließlich das, was mich begeistert.

K: Also man kann wie bei jedem anderen Hobby auch ein Drink-Nerd werden? Ob du jetzt Samstag 15:30 Bundesliga guckst, oder ob du mit Leidenschaft Cocktails mixt und konsumierst – beides bringt ein krasses Beschäftigungspotenzial mit sich.
S: Was es mir heute ein bisschen schwierig macht, ist, wenn ich in eine „normale Kneipe“ gehe, dass ich wohl kaum einen „Mojito“ bestellen werde, weil ich davon ausgehen kann, dass er mir nicht schmeckt. Dann bestelle ich lieber einen „Campari O“, da kann man nicht soviel falsch machen. Das ist der Campari, den man kennt und hoffentlich ein halbwegs guter Orangensaft. Das heißt, ja, das Beschäftigungspotenzial ist enorm und als „Nerd“ kannst du kaum noch den üblichen Quatsch trinken.

K: Wie bist du denn dazu gekommen, dich mit Drinks zu beschäftigen?
S: Im Prinzip hat es in meiner Küche angefangen, Kristina (eine gute Freundin) und ich haben angefangen bei ein paar Cocktail-Wettbewerben, zum Beispiel vom Mixology-Magazin, mitzumachen, einfach aus Spaß. Da ging es nie ernsthaft drum zu gewinnen. Dann kannst du nach einem Campari-Wettbewerb vielleicht keinen Campari mehr sehen und man probiert soviel aus, dass teilweise auch mal was im Abfluss landet. Aber wir haben eben angefangen selbst Varianten von Drinks zu kreieren.

K: Jetzt mal ehrlich, gibt es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen Preis und Qualität einer Spirituose?
S: Meiner Meinung nach schon. Einfach, weil bei Alkoholika immer viele Steuern und Abgaben im Preis mitschwingen, und weil der (Groß-)Händler ja auch noch seine Marge will. Wenn eine Spirituose also sehr günstig ist, kann de facto nicht mehr viel Geld in der Herstellung übrigbleiben.

K: Ich denke das ist nun auch das, was viele Leute ein bisschen abschreckt: Es wird schnell teuer… Wie ist denn deine Klientel so aufgebaut, sind das eher Vermögendere oder kommen auch Studis zu dir?
S: Ich glaub schon, dass nicht unbedingt der Erstsemester bei mir vorbeikommt, aber auf jeden Fall schon auch Studenten, die genug haben von ihren typischen WG-Party-Getränken. Am Ende kommt es auf die Mischung an, dass man bei einer Party vielleicht einzelne hochwertige Alkoholika anbietet und neben die „normalen“ Getränke stellt. Ich meine, kauft doch einfach eine 0,7er Flasche Tanqueray, die kostet 19 Euro – das ist nicht das billigste und nicht das teuerste, aber auf jeden Fall ein guter Gin, wenn ihr gern Gin trinkt.

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K: Gerade bei Gin, Rum und Whiskey gibt es so viele Sorten, die preislich keine Grenze nach oben zu haben scheinen. Aber wenn ich jetzt eine Flasche „Helbing“ für zehn Euro kaufe, dann ist das ein guter Schnaps.
S: Es ist ja nicht so, dass nur teure Spirituosen auch wirklich gut sind. Wir haben zum Beispiel einen Wodka – den Partisan – für elf Euro im Sortiment und der hat ein spitzen Preisleistungsverhältnis. Grundsätzlich gilt, man muss es nicht übertreiben. Wenn du einen Rum-Cola machst, brauchst du keinen teuren Rum nehmen. Oder Getränke mit Ginger Beer… Das macht alles platt. Für einen „London Bug“ brauchst du keinen Monkey 47 Gin nehmen. Es gibt aber auch Cocktails, die sich rein aus Spirituosen zusammensetzen, z.B. den Negroni oder den Manhattan. Da kommt es dann schon drauf an. Wenn ich da zwei oder drei qualitativ nicht sonderlich tolle Zutaten mische, wird auch der Drink im Gesamten nicht so gut sein.

K: Man regt sich ja gern einmal über solche selbsternannten Weinkenner auf. So Leute, die einfach noch kein Geld zum Golfspielen haben und deswegen da die Dekadenz raushängen lassen. Da gab’s mal auf SPON so eine Diskussion über Wein in den Kommentaren unter dem Artikel, wo sich offenbar die Klugscheißer der Nation versammelt haben. Und dann brachte ein zuvor Unbeteiligter auf den Punkt, was mir aus der Seele sprach: „Hauptsache der Wein knallt rein.“
S: Ich hab schon auch manchmal das Gefühl, dass es da Extreme gibt. Mitunter kommen Leute in meinem Laden und machen echt ne Wissenschaft aus der Geschichte, schmecken da tausend verschiedene Nuancen aus dem Gin raus, wo ich doch sagen muss, das ist etwas zu viel des Guten. Trotzdem spreche ich natürlich vor allem Leute an, die Spaß haben am Trinken haben und sich damit auseinandersetzen wollen. Auch der Bezug vom Namen „Nick & Nora“ zu dem Film… Auch da wird getrunken, aber eben mit Freude an der Sache, mit Stil. Da kommen Leute zu mir und kaufen für ihre Feier zwei, drei Gins ein. Sicher beschäftigen die sich die ersten paar Drinks mit dem Geschmack, aber am Ende sind sie betrunken und am nächsten Tag hatten sie ne geile Party und trotzdem Kopfweh.

K: Gibt es keinen Zusammenhang zwischen hochwertigen Spirituosen und ihrem Potenzial für den Kater am nächsten Tag?
S: Ich glaub schon, dass es den gibt. Aber das liegt denke ich auch daran, dass man die teure Spirituose nicht so runterkippt. Daran, dass man dann am Abend vielleicht nicht mehr sechs Cocktails runterkippt, sondern vielleicht nur noch vier langsam genießt.

K: Als Gegenbewegung zum Fast-Food gibt es ja seit einigen Jahren das so genannte „Slow-Food“. Propagierst du quasi das „Slow-Drinking“?
S: Ein bisschen schon. Zum Beispiel, wenn man der Bar sitzt und zusehen kann, wie der Barkeeper den Drink macht, wenn man die Handwerklichkeit beobachtet, wenn man sieht, wie er dekoriert – vielleicht mit einem besonderen Eiswürfel, oder einem besonderen Glas –, wie sein allgemeiner Umgang damit ist und man sich dann nach zwei, drei Minuten erst dem Getränk nähert, indem man es trinkt, denke ich doch, dass man dann einen anderen Bezug zum Getränk bekommt, als wenn man ein Bier ext.

K: Craig Judkins hat mal zu mir gesagt: Pascal, wenn du dich schon immer daheim betrinkst, dann mach wenigstens Eis in deine Getränke!
S: (lacht) Da hat er recht. Ein warmes Getränk, das nicht schön aussieht, kann man eben nur runterkippen. Dabei kann man soviel Spaß bei der Zubereitung und dann auch beim Trinken haben.

K: Jetzt aber mal im Ernst, daheim allein trinken ist eher naja, aber wird der Tatbestand dessen, alleine in eine Bar zu gehen weniger traurig dadurch, dass man hochwertige Getränke trinkt?
S: Ich fürchte es macht keinen Unterschied. Alkohol kann so oder so Einstiegsdroge sein. Egal, ob du da jetzt im Kofferraum oder in der Eckkneipe sitzt, auch wenn man Geld hat und gut situiert ist, kann man am und durch den Alkohol scheitern. Und natürlich gibt es auch bei mir im Laden die Gefahr, dass Menschen bei mir einkaufen, die das Suchtpotenzial unterschätzen.

K: Du sprichst von der Verantwortung, die du damit auch trägst, dass du einen Schnapsladen betreibst. Kamen auch schon mal Minderjährige zu dir in den Laden?
S: Naja, es gibt Leute, die sehen recht jung aus. Die Frage ich dann eben nach ihrem Ausweis, aber grundsätzlich kommen schon eher Leute, so 25 aufwärts, die schon arbeiten, die einfach nicht im Supermarkt ihre Getränke kaufen wollen, sondern auch eine Beratung wollen und sich mit dem Thema beschäftigen möchten.

K: Was war denn deine Motivation den Laden aufzumachen?
S: Ich wollte schon immer was in die Richtung machen und ich hatte das Gefühl, dass man in Karlsruhe einfach vieles nicht bekommt, und außerdem auch nicht sonderlich gut beraten wird. Das war so der Hautgrund. Ich hab dann halt geguckt, was man noch machen kann, außer einer Bar, wo man dann täglich erst um 5 Uhr morgens heimkommt. Aber die Idee einen Ort zu schaffen, wo man sich mit dem Thema Alkohol beschäftigt, die hatte ich eben. Dann hat sich nicht weit von unserer Wohnung die Möglichkeit ergeben, wo jetzt der Laden ist. Und dort musste auch echt nichts mehr gemacht werden, wir mussten nichts renovieren und konnten direkt da rein.

K: Du bietest ja nicht nur Spirituosen an, sondern auch Bedarf für die Home-Bar, korrekt?
S: Genau, denn zum Cocktail gehört eben auch ein gewisses Drumherum. Du brauchst Eis, du brauchst natürlich einen Shaker, Utensilien zum Rühren und Ausgießen von Drinks. Ich wollte einfach bei mir im Laden das Gesamtpaket anbieten, und auch Profi-Werkzeuge verkaufen, die man sonst nicht so bekommt. Bei „Nick & Nora“ bekommt man quasi das ganze Sortiment.

K: Sven, ich danke dir für das Gespräch!

„Nick & Nora – Spirituosen“ in der Körnerstraße 26 (Weststadt) hat für euch
Dienstag bis Freitag von 16 – 19 Uhr und Samstag von 10 – 16 Uhr geöffnet und freut sich über euren Besuch!

Links
Web
Facebook

Alle Fotos vom famosen Sebastian Heck.

 

 

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