Opa Jott könnte der neue Stern am Himmel irgendeines Musikgenres werden – nur welches fällt mir sehr schwer zu sagen. Avantgarde Schlager? Pop? SlowHop? Seine Musik ist mindestens so schräg wie sein Auftreten, scheint aber aus seinem tiefsten Inneren zu kommen und hat Authentizität und, meiner Meinung nach, viel Potenzial. Der ehemals als Cens bekannte Künstler hat vor etwa fünf Jahren den “Songs”-Workshop im ZKM besucht und dabei einen Track produziert, der mich schon damals geflasht hat. Name: “Leicht angebrannte Kartöffelchenschalen”. Diesmal hat er noch eine Schippe drauf gelegt. Er scheint sein ganz eigenes Genre geschaffen zu haben und bringt dazu gleich ein ganzes Album raus, das er morgen bei der Release Party in der Fettschmelze präsentieren wird. Ihr dürft gespannt sein! Ich durfte dem Opa vor der Veröffentlichung ein paar Fragen zum Album und zu seinem Künstler-Ich stellen.
Hi Opa Jott. Wie geht’s wie steht’s?
Hallo Melina, alles steht senkrecht. Der Rollator ist geölt, läuft.
Seit wann gibt es die Figur Opa Jott und wie ist sie entstanden?
2016 hab ich für Cash an einer Medikamentenstudie teilgenommen. Drei Wochen stationärer Aufenthalt, jeden Tag eine gewisse Substanz einnehmen. Tests wurden an mir durchgeführt. Aber eigentlich lag ich die meiste Zeit im Bett und folgte schrägen Gedanken. Da wurde mir klar, dass das HipHop-Konzept, in dem ich seit zwanzig Jahren steckte, zu eng geworden war. Ich wollte es experimenteller. In der Testklinik hörte ich viel Cloud Rap. Yung Lean, Lil B. Ich verfolgte die Karriere von MC SMOOK und Money Boy. Mir gefiel sein Just-do-it-Gedanke. Ich überlegte mir einen Namen für mein neues Künstler-Ich. Aufgrund meines fortgeschrittenen Alters konnte ich mich aber nicht Yung Jay, Lil Fünfhunderter oder so nennen. Ein Name mit Zukunft musste her. So entstand Opa Jott! Und mit jedem Tag, der vergeht, werde ich mehr zu diesem Opa, also perfekt!
Gibt es Cens auch noch oder ist der jetzt passé?
Cens ist mein alter Künstlername. Mein HipHop-Ich. Und ja, es gibt Cens noch. Manchmal klingelt sein Geist an meiner Tür. Ich lass ihn dann rein. Verwaschener Hoodie, Baggy Pants, mit Silberband geflickte Skaterschuhe… so setzt er sich dann auf das weiße Synthetikfell meiner kuschligen Couch. Und macht mir Vorwürfe: ich würde senile Rapflucht betreiben und mein Swag sei nihilistisch. Ich antworte dann, Bro, wenn die Welt absurd ist, dann muss der Flow nihilistisch sein, nicht wahr? Er aber akzeptiert das nicht. Rennt raus in den anbrechenden Morgen und ruft: Ich komme wieder!
Du machst ja schon eine etwas unkonventionelle Art von Musik. In welchem Genre siehst du dich selbst?
Ein Reviewer ordnete mich mal in das von ihm erdachte Genre ‚SlowHop‘ ein. Ich finde das passt sehr gut. Auf dem Album sind ja elf eher atmosphärische Tracks. Live eingespielte Instrumente verbinden sich mit analogen Synthiesounds und Trap-Anwandlungen. Die wunderlichen Wortbilder aus Opas Welt wandern zwischen Rausch und Wirklichkeit. Vom Bordstein bis zur Bettkante, quasi. Den Gesamtsound würde ich als schwarzlichterprobt, crisp und wie Satin beschreiben.
Wie hat sich deine Musik in den letzten Jahren entwickelt?
Als ich im letzten Jahrtausend anfing, Musik zu machen, saß ich im Kinderzimmer mit zwei Kasettenrekordern: Auf dem einen Kasettenrekorder lief ein Beat Tape, das ich für zehn Mark auf einem HipHop Jam ergattert hatte. Dazu droppte ich meine Rhymes und nahm das Ganze mit dem anderen Kasettenrekorder auf. Swag. Das Ergebnis war ein blecherner Sound, den sich nur echte Hardcorefans geben konnten. Es ging mir einfach darum, produktiv zu sein. Songs rauszuhauen, einen nach dem anderen. Die Soundquali war dabei zweitrangig.
Mit dem Opa Jott Album hat sich das geändert. Dafür wollte ich den perfekten Sound. Mit Andreas Köhler vom Comtune Studio habe ich dafür den idealen Partner gefunden. Mit seinem Wissen, seinem Equipment und seiner Leidenschaft für den bestmöglichen Mix konnte ich die Vision eines perfekten Debütalbums realisieren. Dazu kommen die vielen Freunde, die ihre Talente eingebracht haben. Freshe Beatproducer, sinnliche Sängerinnen, treffsichere Rapper. Es ist auch eine japanische Koto-Harfe zu hören, ein tolles Cello Solo von Andreas Köhler, Stephan Marc Schneider an der Renaissance-Gitarre und Laszlo Volpert hat Saxophon eingespielt. Hab ich schon Friedrich Kern am Piano erwähnt? Das Album ist wie ein Kaleidoskop. Viele Facetten.
Bist du mit Opa Jott jetzt bei deiner inneren Mitte angekommen?
Meine innere Mitte? Meinst Du meine Beckenbodenmuskulatur? Die wird regelmäßig trainiert, wenn Du verstehst. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.
Dein erstes Album heißt „ON FLEEK“. Ich meine inhaltlich einen gewissen roten Faden erkennen zu können – aber beschreib du das lieber mal selbst: Worum geht’s auf diesem Album?
Der Titel, ON FLEEK, ist von einem kurzen Internetvideo inspiriert. Es zeigt eine junge Frau, die stolz ihre frisch gezupfte Augenbraue präsentiert: „Eyebrows ON FLEEK“, nennt sie das. Diese Attitüde, für den eigenen ästhetischen Ausdruck Verantwortung zu übernehmen, habe ich als Teil des Albumkonzepts übernommen. Es würde mich jetzt interessieren, welchen roten Faden DU erkennst. Von meiner Seite aus kann ich sagen, dass es auf dem Album viel um Begegnungen geht: mit Geisterwesen, Eisbienen, Tänzerinnen, Drugs und ephemeren Augenblicken. Alles ist flüchtig. Wir haben nur diesen Moment.
Wer oder was inspiriert dich zu diesen Texten?
Die Texte sind inspiriert vom wirklichen Leben. Johnny Jewel. Die Nächte sind lang. Nocturnal Animals. Die Liebe ist frei, die anderen immer so schön. Die Hantel wiegt schwer. Pump! Innere Schönheit ist zeitlos, äußere verführerisch. That’s basically it.
Was ist die Message von Opa Jott?
Erfahrungen haben ihren Preis.
Sind schon irgendwelche Liveauftritte in Planung?
Ja, Opa Jott LIVE wird es am 12.4. in der Fettschmelze in Karlsruhe geben. Es ist die Release Party zum Album ON FLEEK. Sie wird im Rahmen der „Songs Live!“ Reihe stattfinden. Das ist die Musikproduktionsworkshopreihe von Andreas Köhler & Hendrik Vogel. Bei ihnen hab ich viel gelernt. Des Weiteren sind ein paar kleinere Events angedacht: Mini-Konzerte so wie z.B. das Musik-Dinner im stillgelegten Aufzugsschacht: Da werden in totaler Dunkelheit von blinden Kellnern diverse Milchspeisen serviert. Ich performe die eher ruhigen Songs des Opa Jott Albums. Das Event wird ‚Quark in the Dark‘ heißen. Es ist noch ein anderes Event im Wald geplant. Eher kleine Location. Tête-à-Tête mit Opi in einem Jägersitz.
Würdest du im Bierkönig auf Malle auftreten, wenn dich jemand engagieren würde?
Im Bierkönig auf Malle oder mit Vino und auf Mollies – Opa Jott ist in beide Richtungen anschlussfähig. Ich glaub, ich versteh, auf was Du mit der Frage hinauswillst. Bei manchen Liedern weiß man einfach nicht, ob es Trash ist oder ob ich das ernst meine. Der Track ‚Pump!‘ ist so ein Kandidat. Da geht’s ja um Bodybuilding, dazu dieses 80er Saxophonsolo. Den Song kann ich mir durchaus auch in diesem Schlagerclub auf Mallorca vorstellen. Es wäre zwar nicht mein angepeiltes Zielpublikum, aber für die lulz würd ich auf Malle performen, jop.
Wo siehst du dich in sagen wir mal fünf Jahren?
In der Seniorenresidenz Waldesruh.
Mich würde noch interessieren in welcher Form dich das Karlsruher Kulturamt unterstützt hat.
Mir war klar, dass ich das Projekt nicht alleine stemmen kann. Perfektion hat ihren Preis. Also fragte ich bei Rolf Fath vom Kulturamt nach finanzieller Unterstützung. Im Antrag stand „Literarische Sprechperformance mit musikalischer Begleitung“. Ich hatte Glück. Es war November und es befand sich noch ein Restchen Cash im Topf. Die Gesamtkosten waren natürlich sehr viel höher. Nur durch das Herzblut der beteiligten Künstler konnte ich das Album für so wenig Kohle produzieren. Danke an dieser Stelle ans Kulturamt und ein großes DANKE auch an Fidelis Fuchs für die Fotos und Superblast Berlin fürs Design des Covers und der CD. Danke auch an Malerhauck, der ebenfalls großzügig supportet hat.
Alright, dann noch eine letzte Frage: Was ist das für 1 Opa Jott Shirt das 999€ kostet?
Es ist das 1zige Opa Jott Shirt der Welt. Man kann es in meinem dawanda shop erstehen. 1 Reliquie – ähnlich wie dieses eine Grabtuch von Turin. Mit dem Unterschied, dass Opa Jott noch lebt. Noch.
Danke für das Interview und viel Spaß bei deiner Release Party!
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