Konzertveranstalter und Clubbetreiber zählen mit zu den größten Verlierern der Corona Krise. Während in den meisten Branchen die Einschränkungen überwunden erscheinen oder zumindest spürbar gelockert wurden, steht eine Öffnung von Tanzclubs, wenn auch vollkommen zu Recht und aus nachvollziehbaren Gründen, auch vier Monate nach Ausbruch der Pandemie, nicht einmal in Aussicht. Auch Konzertshows mit dicht an dicht gedrängten Menschen, wird es wohl noch eine ganze Weile lang nicht mehr geben. Auf die weitläufige Prognose, dass mit Sicherheit viele Kulturbetriebe dauerhaft schließen müssen – Die Zeit spricht bereits vom “Herbst der Insolvenzen” – möchten wir an dieser Stelle aber nicht weiter eingehen. Vielmehr möchten wir uns einer Initiative widmen, die dieser Corona Krise mit positiver Energie getrotzt hat und voller Mut und Tatendrang eine Eventfirma gegründet hat: die Kulturbühne an der Messe Karlsruhe. Dort finden seit Mitte Juni regelmäßig Konzert- und DJ Veranstaltungen unter freiem Himmel statt. Zu den bisherigen Gästen zählen Künstler wie Fritz Kalkbrenner, Farid Bang, Beatrice Egli oder Culcha Candela. Was es mit dieser Unternehmung auf sich hat, wer dahinter steckt, wie das Fazit nach einem Monat Laufzeit aussieht und wie es mit der Kulturbühne weitergeht, habe ich Florian Vitez gefragt. Er ist mit seiner Firma “Reposit Entertainment” Teil der neu gegründeten Kulturbühne und war so freundlich und uns die folgenden Fragen beantwortet. Viel Spaß mit dem Interview!
Wer bist du und was machst du?
Hallo, ich bin Florian und zusammen mit meinem Kollegen Dominik Geschäftsführer und Inhaber von Reposit Entertainment. Wir arbeiten seit über 10 Jahren in der Musik- und Veranstaltungsbranche, mittlerweile schwerpunktmäßig in den Bereichen Musik-Publishing und Künstlermanagement. Außerdem haben wir im Laufe der Jahre über 1000 Veranstaltungen und Produktionen auf verschiedensten Ebenen betreut, organisiert oder initiiert.
Welche Personen sind neben dir noch maßgeblich in das Projekt „Kulturbühne“ involviert?
Hinter dem Projekt “Kulturbühne” steht ein Zusammenschluss von insgesamt 5 Firmen. Das sind Crystal Sound, Eventtechnik Gleich, hell begeistert., Megaforce und Reposit Entertainment. Dahinter stecken natürlich eine Vielzahl an Personen, sowohl aus den genannten Firmen, als auch aus unserem gesamten Umfeld, die sich für die “Kulturbühne” engagieren. Wir sind insgesamt ein Team von rund 70 Personen, die in Planung, Booking, Marketing, Technik, Durchführung, Infrastruktur, etc. involviert sind. Dazu kommt noch die Messe Karlsruhe als Kooperationspartner, die uns in vielen Bereichen sehr unterstützt.
Wie kam es zu diesem Zusammenschluss an Personen und Firmen?
Einzelne von uns hatten unabhängig voneinander bereits Ideen und Konzepte für eine temporäre Nutzung des P3 Parkplatzes an der Messe entwickelt. In dem Zuge haben wir uns dann zusammengefunden und sind tatsächlich extrem schnell die ersten gemeinsamen Schritte gegangen.
Wie würdest Du das ursprüngliche und aktuelle Konzept der “Kulturbühne” beschreiben und zu welchem Zeitpunkt habt ihr euch erstmalig mit der Idee beschäftigt eine derartige Konzertlocation zu starten?
Die Maßnahmen, die zur Eindämmung der Corona-Pandemie getroffen wurden, haben seit Anfang März 2020 sämtliche Veranstaltungen zum Erliegen gebracht. Dabei sind kulturelle Veranstaltungen ein essentieller Teil des öffentlichen Lebens.
Die Kulturbühne ist aus dem Gedanken heraus entstanden, sowohl KünstlerInnen bzw. den ganzen Menschen, die im Hintergrund arbeiten, als auch dem Publikum, wieder die Möglichkeit zu bieten, Konzerte bzw. Veranstaltungen stattfinden zu lassen und dies in einer schönen Kulisse mit einer professionellen Umsetzung, die jedem Anspruch gerecht wird. Außerdem geht es uns auch darum, ein Zeichen zu setzen und aufzuzeigen, dass der derzeitige Stillstand im gesamten Veranstaltungsbereich eine existenzielle Krise und einen kulturellen Notstand darstellt, wie es ihn wohl in der jüngeren Geschichte noch nie gegeben hat. Um an dieser Situation schrittweise etwas zu verbessern, ist es uns ein Anliegen, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie Veranstaltungen wieder möglich gemacht werden können und wir gemeinsam die ersten Schritte „back to live“ gehen können.
Dieser Grundidee folgen wir bis heute. Die konkrete Umsetzung hat sich natürlich im Laufe der Planungsphase (die ohnehin nur knapp 4 Wochen lang war) und während der ersten Veranstaltungen immer wieder verändert. Für uns waren z.B. Autos, in denen das Publikum sitzt von Anfang an nur Mittel zum Zweck. Daher haben wir uns hier von vorneherein die Flexibilität eingeräumt, jederzeit auf Veränderungen in der Corona Verordnung reagieren zu können. Mittlerweile haben wir vor der Bühne 250 Sitzplätze Open Air und ab August sogar 500. Erst dahinter geht es dann weiter mit Plätzen für Autos.
Was waren Rückblickend die größten Herausforderungen die es im Zuge der Umsetzung zu bewältigen galt?
Die Größte Herausforderung ist sicherlich die extrem knappe Zeit. Eine Veranstaltungsreihe in dieser Größenordnung würde ich normalerweise 6-12 Monate im Vorraus beginnen zu planen und Künstler*innen dafür zu buchen. In unserem Fall hatten wir knapp 4 Wochen bis zur ersten Veranstaltung und sind z.B. immernoch in der Programmplanung. Das Gleiche gilt hier auch für die Vorverkaufszeit für Tickets und viele andere Dinge – alles sehr kurz und knapp.
Wie geht ihr bei der Programmgestaltung vor? Nach welchen Kriterien entscheidet ihr, welche Künstler*innen und Bands ihr einladen wollt?
Bei der Programmgestaltung war uns wichtig, ein äußerst breit gefächertes Programm abzubilden, um möglichst viele Menschen zu erreichen und am Programm teilhaben zu lassen, denn unabhängig vom Musikgeschmack hat ja zur Zeit niemand die Möglichkeit auf Konzerte oder Festvials zu gehen. Das Programm beinhaltet daher u.a. Comedy, Schlager, Klassik, Jazz, Rock, Metall, Pop, ein Live-Hörspiel, RnB, Soul, Weltmusik, Electro, HipHop/Rap.
Aus Sicht einer Karlsruher Kunst und Kulturplattform, die sich stets für die lokale Szene einsetzt, würden wir uns einen größeren Anteil an Local Acts in eurem Programm wünschen. Warum habt ihr euch gegen das Modell entschieden Karlsruher Künstler*innen, zumindest im Vorprogramm, einen festen Platz einzuräumen?
Tatsächlich haben wir sogar eine Reihe von Künstler*innen bei uns auf der Bühne, die aus Karlsruhe und Umgebung kommen, oder zumindest lange hier waren. Das sind u.a. Tantum, Landhouse & Bambule, Curly, Soufian, Erabi, Shahrokh Dini, Silvia Dias (mit ihrer Ultimate Whitney Show), Gundram Prochaska, Jürgen Zöller sowie eine Vielzahl weiterer Musiker, die in diversen Formationen mitspielen. Wir werden hier in den nächsten Tagen und Wochen auch noch weitere Locals announcen. Ich muss euch aber auch ein Stück weit recht geben, es könnten ruhig auch noch mehr sein – wir arbeiten dran, versprochen. Lokale Künstler*innen und Bands können sich gerne per Email bei uns melden: info@kultur-karlsruhe.live.
Was war bislang dein persönliches Highlight und auf welchen Termin, den Du uns heute schon verraten kannst, freust Du dich heute schon besonders?
Grundsätzlich sind meine Highlights die Veranstaltungen selbst. Darauf arbeitet man wie ein Besessener immer hin und steckt da alles rein, was man hat. Dann am Ende zu sehen und zu spüren, welche Emotionen Musik freisetzt, sowohl bei den Künstler*innen auf der Bühne, als natürlich auch im Publikum, ist einfach jedes Mal der Wahnsinn. Im kommenden Programm sind meine Highlights klar Die Orsons am 19.07., ich bin großer Fan des letzten Albums “Orsons Island”, damit haben sie mich absolut gekriegt. Ein weiteres Highlight ist für mich MINE am 06.08., eine Künstlerin, die für mich absolut outstanding in der deutschen Popmusik Landschaft ist. Außerdem freue ich mich sehr auf Roman Flügel, der am 15.08. zusammen mit Frankey & Sandrino, Shahrokh Dini, Michael Reinboth die Kulturbühne zum Club werden lässt. Ich hab ihn vor Jahren mal in der Wilden Renate in Berlin erlebt und hatte da einen meiner fettesten Clubabende überhaupt.
Welche Show hat dich hinsichtlich Resonanz und Zulauf vom Publikum besonders positiv überrascht?
Das ist sicherlich LINA, die am 08.08. bei uns spielen wird. Sie hat einfach eine unglaublich starke Bindung zu ihren Fans und auch andersherum. Die freuen sich einfach sehr, dieses Jahr nun doch noch auf ein Konzert von ihr kommen zu können.
Wie sieht nach etwa einem Monat Spielzeit euer Fazit für die Anfangszeit aus?
Grundsätzlich positiv. Wir hatten mittlerweile eine Reihe von tollen Veranstaltungen, die zum Teil auch gut besucht waren, allerdings würde ich mir wünschen, dass sich noch mehr Menschen für unser Programm begeistern. Diejenigen, die einmal da waren, sind es auf jeden Fall.
Was sind die größten Baustellen und Probleme mit denen Ihr aktuell zu kämpfen habt?
Durch die extrem kurze Vorlaufzeit, hatten wir auch entsprechend wenig Zeit für Öffentlichkeitsarbeit und Promo. Die Größte Herausforderung ist hier, den Menschen in Karlsruhe und der gesamten Umgebung (wir haben Besucher aus ganz Deutschland, Österreich, der Schweiz und Belgien) die Kulturbühne nahe zu bringen. Viele schreckt das Autokonzert Format zunächst ab, wenn Sie dann mitbekommen, dass wir auch einen autofreien Open Air Bereich haben für den Tickets gebucht werden können und man das Auto jederzeit verlassen kann, um an eine unserer Bars zu gehen, ändert das oft ihre Meinung. Dabei hilft uns natürlich auch jede mediale Berichterstattung – an dieser Stelle übrigens Danke an Kavantgarde für das Interview!
Wie wird es mit der “Kulturbühne” über den Sommer hinaus weitergehen? Bitte gebe uns einen Einblick in euren aktuellen Planungsstand. Wie lange wird es die “Kulturbühne” in dieser Form geben?
Die Kulturbühne ist aktuell bis Ende August geplant, ob es eine Verlängerung in den September geben wird, ist zur Zeit noch unklar und hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Das wird sich in den nächsten Wochen entscheiden.
Vielen Dank für das Interview. Die abschließenden Worte gehören Dir. Was möchtest Du unseren Lesern noch mitteilen?
Kommt einfach bei einer unserer Veranstaltungen vorbei – nach über 4 Monaten ohne Konzerte und Veranstaltungen bieten wir euch DIE Möglichkeit endlich wieder auszugehen und haben außerdem viele Künstler*innen in unserem Line Up, die wir in Karlsruhe auch nur selten live erleben dürfen. Die Amtosphäre ist großartig und ihr unterstützt gleichzeitig viele Menschen, die in der Veranstaltungsbranche arbeiten und besonders schwer von der Corona-Krise betroffen sind.
Hier gelangt ihr zum Programm und zum Ticket Vorverkauf der Kulturbühne: kultur-karlsruhe.live
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