Dark Light
Im Jahr 1916 wurde aus dem Schoße einer sechsköpfigen Züricher Künstlergruppe eine Kunstrichtung geboren, die alles in Frage stellte, was als normal galt, gängige Kunstformen und deren Vertreter ins Lächerliche zog und sich gegen die träge Auffassung des Kunstbegriffes des Bürgertums auflehnte: Dada stand für Neudenken und totalen Individualismus, für den Verzicht auf jegliche Logik. Dem hundertsten Geburtstag dieser Kunstrichtung zu Ehren fand im Kulturraum Vanguarde am 23. September eine Ausstellung statt, die drei Installationen von lokalen Künstlern zeigte. Wir haben uns die Werke von Thorsten Schwanninger, Kilian Kretschmer und Nicolaz Groll genauer angeschaut.

Mi/Ka/Dada

Im Jahr 1916 wurde aus dem Schoße einer sechsköpfigen Züricher Künstlergruppe eine Kunstrichtung geboren, die alles in Frage stellte, was als normal galt, gängige Kunstformen und deren Vertreter ins Lächerliche zog und sich gegen die träge Auffassung des Kunstbegriffes des Bürgertums auflehnte: Dada stand für Neudenken und totalen Individualismus, für den Verzicht auf jegliche Logik. Die Zerschlagung von Form und Wort und eine vom Zufall bestimmte Neuordnung derselben lässt sich exemplarisch an den schrägen Gemälden von Salvador Dalí oder am Lautgedicht „Gadji beri bimba“ von Hugo Ball erkennen. Wer kennt es nicht? „gaga di bumbalo bumbalo gadjamen, gaga di bling blong, gaga blung.“ Dada – wie ein Wort aus dem Mund eines Kleinkindes. Für Erwachsene klingt es wie eine unlogische Aneinanderreihung von aufgeschnappten Silben, aber für das Kind besitzt das Wort eine große Bedeutung.
Dem hundertsten Geburtstag dieser Kunstrichtung zu Ehren fand im Kulturraum Vanguarde am 23. September eine Ausstellung statt, die drei Installationen von lokalen Künstlern zeigte. Die Ausstellung mit dem Namen MI/KA/DADA, die in Anlehnung an das große Thema Zufall das Mikado-Spiel als Thema hatte, war Teil des Kreativjackpots, einer Bundesinitiative, die einen Tag lang durch verschiedenste Veranstaltungen in ganz Deutschland auf die Bedeutung und Leistung der Kultur- und Kreativwirtschaft aufmerksam machen will. Die Ausstellung bezog die Struktur des Raumes mit ein und erstreckte sich über den Hauptraum, die Empore und einen kleinen, abgetrennten Nebenraum.

Dadaismus Ausstellung Vanguarde Schwanninger

Thorsten Schwanninger ist frei arbeitender Medienkünstler und Dozent am KIT, man kennt ihn in Karlsruhe durch seine Lichtinstallationen, die er z.B. auf dem Kavantgarde Sommerfest oder der Abschlussveranstaltung von KA300 im Schlossgarten-Pavillon gezeigt hat. Auch dieses Mal war das Ausstellungsstück eine Lichtinstallation, die aus verschiedenfarbigen und unterschiedlich langen Leuchtstoffröhren bestand. Die Röhren, die teils auf dem Boden lagen und teils an Säulen oder an die Empore angelehnt waren, erinnerten in ihrer Anordnung an Mikado und erzeugten eine schöne, auf den ersten Blick gemütliche Beleuchtung und gleichzeitig eine der Zusammenstellung der Neonfarben geschuldete, etwas seltsame Atmosphäre. Für Thorsten symbolisieren die leuchtenden Mikadostäbe auch die aktuelle Situation des Vanguarde: Manche Teile stehen noch, manche sind am Wackeln und viele liegen schon am Boden. Dekonstruktion Stück für Stück, aber immer noch mit der Hoffnung, dass eines Tages die Rekonstruktion folgt. Diesen Gedanken weiterspinnend könnte man meinen, dass Dada insgesamt ein Sinnbild für diesen Kulturraum ist: Das Konstrukt Vanguarde wird zerschlagen und Stück für Stück abgetragen – tabula rasa – um dann auf eine komplett neue Art und Weise wieder zusammengesetzt zu werden und zukunftsweisend eine neue Entwicklung in Karlsruhe anzustoßen. Gegen das Spießbürgertum und für die Freiheit der Kunst! Ein schöner Gedanke.

Class of 37 Nicolaz Groll Class of 37 Nicolaz Groll 2 Class of 37 Nicolaz Groll 3

„Class of 37“ heißt das Kunstwerk von Nicolaz Groll. Der Grafik Designer und Entwickler von experimentellen Formen zeigte eine 37-teilige Posterserie, die auf der Empore ausgelegt war. Auf den Postern sind Muster aus einfachen schwarzen Linien abgebildet, die sich in 37 Schritten regelmäßig verändern. „Obwohl man sagt, dass Gegensätze sich anziehen, wirkt ein Muster, bei dem die Linien annähernd parallel verlaufen, viel unruhiger als ein Muster, bei dem sich die Linien in einem vergleichsweise sehr großen Winkel treffen“ sagt Nicolaz. Es scheint darum zu gehen, in welchem Maße sich unsere Wahrnehmung der Muster bei gleichmäßiger Umwandlung derselben verändert. Wie zu erwarten ist das Werk eines Grafik Designers wesentlich strukturierter, aber auf subtile Weise erzeugt es doch ein Gefühl der Anarchie und des Chaos. Je länger man es anschaut, desto mehr Fragen entstehen. Hat das Ganze einen tieferen Sinn? Was repräsentieren die einzelnen Schritte? Oder verzichtet dieses Werk tatsächlich ganz im Sinne des Dadaismus auf jede Logik?

Beatmikado Kilian Kretschmer

Im kleinen Raum neben der Bar schließlich wird ein kurzer Film von Kilian Kretschmer gezeigt. Kilian arbeitet ebenfalls freiberuflich als Medien- und Performancekünstler und unterrichtet an der HfG. Im Film sieht man, wie eine Hand zum unregelmäßigen Beat eines Schlagzeuges einen chaotischen Haufen aus verschiedenen Trommelstöcken montiert. Wenn man sich den Film genauer anschaut, erkennt man jedoch, dass da irgendetwas nicht stimmt – die Handbewegungen sind nicht ganz flüssig und manchmal gibt es eine Bewegung in den Stöcken, die man nicht ganz zuordnen kann. Kilian erklärt: Der Film läuft rückwärts! Der Schlagzeugklang ist unverändert, aber die Bildaufzeichnung wird rückwärts gezeigt und so entsteht der Eindruck, dass die Hand mit Bedacht ein Chaos konstruiert. Entstanden ist das Ganze jedoch durch Zufall: Eine Kiste bricht, der Inhalt fällt auf den Boden, Zack Bum, Durcheinander. Und die Hand – die Kilian gehört – trägt das Chaos Stück für Stück wieder ab. Auch hier sind die verbindenden Elemente zu erkennen: Linien, die sich kreuzen, Zufall, Chaos – und die Frage, was die Fantasie des Betrachters daraus macht. BEATMIKADO heißt das Kunstwerk, das Kilian Kretschmer in Kooperation mit Steffen Moddrow erschaffen hat.

Dada Ausstellung Vanguarde

Beim Besuch der Ausstellung kam man ins Nachdenken. Über die eigenen Definition von Kunst und die Bedeutung der Kunst für die Gesellschaft. Welche Normen gelten heute, und warum? Ordne ich mich dem Dadaismus zu oder eher der konservativen Opposition? Die Dada-Begründer wären bestimmt entzückt gewesen, und wenn sich auch nur einer der Besucher wirklich diese Fragen gestellt hat war MI/KA/DADA ein Erfolg!

Thorsten Schwanninger, Nicolaz Groll, Kilian Kretschmer (v.l.)
Thorsten Schwanninger, Nicolaz Groll, Kilian Kretschmer (v.l.)
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