Das „Quartier Zukunft – Labor Stadt“ ist ein Forschungsprojekt des KIT, das sich für nachhaltige Stadtentwicklung in der Oststadt einsetzt. Zusammen mit den Bewohnern werden Ideen gesammelt und umgesetzt, die Nachhaltigkeit in allen Bereichen des Lebens fördern wollen: Umweltbewusstsein, Konsumverhalten, Gemeinschaft mit anderen Menschen,… Für die Mitarbeiter des Projekts bedeutet Nachhaltigkeit „ein gutes Leben, das gleichzeitig die Mitwelt, die Umwelt und die Nachwelt achtet und respektiert.“ Nikola und Helena, die beide im Team mitarbeiten und für Öffentlichkeitsarbeit und Betreuung der verschiedenen Experimente verantwortlich sind, haben sich einen Nachmittag für Kavantgarde frei genommen und mich mit in das „Epizentrum“ der nachhaltigen Ideen mitgenommen.
Zukunftsraum
Der “Zukunftsraum für Nachhaltigkeit und Wissenschaft”, der vor etwa einem Jahr eröffnet wurde, befindet sich in der Rintheimerstraße 46. Ein großer, heller Raum mit Fensterfront, dessen Wände mit Projektbeschreibungen und Ideen-Charts tapeziert sind und der sofort Lust macht, hier mitzuarbeiten. Auf dem Boden stehen Kisten, in denen Pflanzen gezogen werden, und am großen runden Tisch diskutiert gerade die Foodsharing Gruppe, die diesen Raum für ihre Treffen nutzt. Der wissenschaftliche Name für diesen Raum lautet Reallabor. Von hier aus soll erforscht werden, wie nachhaltige Stadtentwicklung im Kleinen, auf Stadtteil-Ebene, passieren kann, und zwar nicht vom Elfenbeinturm der Universität heraus, sondern zusammen mit den Menschen, die in der Oststadt leben. Regelmäßig finden Seminare statt oder tolle Dinge wie Pflanzentauschbörsen oder Kleidertauschpartys. Wer sich beteiligen möchte, kann Dienstags und Donnerstags hier vorbei schneien und sich informieren, welche Projekte es bereits gibt und wie eigene Ideen umgesetzt werden können.
Nachhaltigkeit
Bei allen Projekten, die dort angegangen werden, geht es um das große Thema Nachhaltigkeit. Ich selbst denke dabei an Umweltschutz und Ressourcenausgleich, aber nachhaltiges Leben bezieht sich nicht nur auf diesen Bereich. Durch kleine Projekte, die direkt die Lebenswelt der Bewohner betreffen, soll ein Nachhaltigkeitsbewusstsein geschaffen werden, das Wirtschaft und Konsum, Arbeit, Bildung oder Ernährung miteinander in Bezug setzt und das in den Menschen ein bewusstes Verhalten in all diesen Bereichen bewirkt. Damit sich diese Entwicklung fortsetzt und nicht endet, wenn der Zukunftsraum in der Rintheimerstraße einmal geschlossen wird, ist es den Mitarbeitern wichtig, nicht selbst die Macher zu sein sondern die Projekte zu unterstützen und ihnen zur Selbständigkeit zu verhelfen. „Wir wollen den Leuten nicht ein fertiges Konzept präsentieren und sagen ‚Jetzt macht das mal!‘, sondern wir sehen uns eher als Plattform. Die Leute können hierher kommen und ihre Ideen ausprobieren. Wir sind jetzt erstmal nur bis 2017 sicher gefördert, und die Idee ist, dass die ganzen Projekte sich weiter tragen, dass das Ganze auch irgendwann ohne uns funktioniert. Ein paar Gruppen haben sich schon gefunden, die unabhängig arbeiten!“ erklärt Helena. Ein Beispiel für eine solche Gruppe ist die Oststadt-Nachbarschaft, ein Zusammenschluss von Bürgern, die unter anderem gemeinschaftliche Picknicks an öffentlichen Plätzen in der Oststadt organisieren und so die Menschen näher zusammenbringen wollen. Kennenlernen, vernetzen, auch ein bisschen füreinander sorgen und vor allem rauskommen aus der Anonymität – der Schwerpunkt dieser Gruppe ist die Gemeinschaft. Zu Anfang wurde eng mit dem Quartier Zukunft zusammengearbeitet, inzwischen ist die Oststadt-Nachbarschaft unabhängig, arbeitet eifrig und hat sogar eine eigene Homepage. Auch das Reparaturcafé, bei dem gemeinsam Fahrräder, Textilien, Elektro-Geräte und vieles mehr repariert werden, ist mit Hilfe des Quartier Zukunft entstanden und nun ein eigenständiges Projekt.
Nachhaltigkeits-Experimente
Vor einiger Zeit hat das Quartier Zukunft eine Ausschreibung gestartet, bei der man sich in Teams anmelden und Ideen zur nachhaltigen Stadtentwicklung in den Bereichen Gemeinschaft und Entschleunigung einreichen konnte. „Gemeinschaft bedeutet ja in Beziehung zu sein, mit deinen Mitmenschen und mit der Umwelt, und wir glauben, dass sich Nachhaltigkeit nicht verwirklichen lässt, solange wir nicht wieder in Beziehung treten. Und dass viele Probleme, die wir auf Grund von nicht nachhaltigem Verhalten haben, damit zu tun haben, dass wir den Bezug verloren haben, z.B. auch zu den Produkten. Man fragt sich nicht mehr wie und wo etwas produziert wird. Oder wer ist mein Nachbar, und wer kümmert sich eigentlich um den. Man muss sehen, dass das alles miteinander zu tun hat“ sagt Helena. Dabei ging es nicht nur um Ideen, sondern es wurden Leute gesucht, die eine Idee haben und auch Lust, diese Idee selbst in die Tat umzusetzen. Ausgewählt wurden vier unterschiedliche Experimente: Das Urban Gardening Projekt Beete&Bienen, das durch das Aufstellen von sogenannten Naschbeeten einerseits Bienen in die Stadt bringen und andererseits den Menschen die Gelegenheit zur gärtnerischen und imkerischen Betätigung geben will, den Kreativsalon, ein Team aus Musikern und Theaterpädagogen, die die Menschen in der Oststadt z.B. durch Musik- und Gesangsunterricht auf kreative Weise zusammen bringen möchte, das Second Hand Label Second Future und den Oststadt-Treff, der einmal pro Woche stattfindet und den Menschen Spieleabende, Beratungen, Seminare oder Infoveranstaltungen bietet.
Diese Experimente und die gesamte Arbeit des Quartier Zukunft wollen bewirken, dass wir alle stückchenweise Veränderung in unserem Leben suchen und ein Bewusstsein für unseren Konsum, unser Handeln und unsere Mitmenschen entwickeln. Wer sich einbringen möchte, kann im Zukunftsraum vorbei schauen (es lohnt sich!) und Nikola, Helena oder die anderen Mitarbeiter fragen, welche Projekte noch Leute brauchen und was sonst noch getan werden kann. Auch eigene Ideen sind natürlich gern gesehen und werden bei der Umsetzung, Bewerbung und Finanzierung unterstützt.
Wir finden: Ein wunderbares, zukunftsweisendes Projekt, das viel mehr Aufmerksamkeit verdient hat und hoffentlich bald über die Oststadt hinaus wächst!
Mehr Infos: www.quartierzukunft.de / www.facebook.com/quartierzukunft
super!
ein wunderbares projekt, wird auch über die grenzen des landes beobachtet!
wenn von nachhaltigkeit gesprochen wird, denkt man immer an ressourcen, energie, regionale kreisläufe ect. schön und gut! aber man vergisst dabei leicht, dass die beständigste form von nachhaltigkeit identifikation, resonanz und gemeinschft darstellt. diese sind die basis jeder selbsständigen Entwicklung, die nicht einer verordnung von oben bedarf, ein stück selbstermächtigung.
Ich denke, ihr seid auf dem richtigen weg, macht weiter so, viel erfolg – und freude!