Wenn man auf Florian Weingrüll trifft, würde man im ersten Moment nicht vermuten einen Galeristen vor sich zu haben: bunt tätowierte Arme, eine Schiebermütze und ein lässiges T-Shirt, statt Anzug und weißes Hemd. Der junge Galerist hat sich von Beginn an betont international aufgestellt, betreut heute Künstler aus der ganzen Welt, reist zu Messen nach Mailand, Hongkong und Miami. Grund genug um sich mit ihm auf ein Gespräch zu treffen und über unverständliche Kunst, geldgierige Galerien und den kommenden Galerientag am 13. September 2014 zu sprechen.
Für Normalsterbliche hat der Beruf des Galeristen ja erst einmal etwas Rätselhaftes. Man denkt an wohlhabende Schöngeister, die sich den ganzen Tag mit interessanten, hippen Leuten umgeben, zwischendurch reiche Sammler durch ihre Galerie führen und den Abend in einer Szenebar beim Rotwein ausklingen lassen. Klingt ja nach einem paradiesischen Job! Wie sieht dein Alltag im Job denn wirklich aus?
Also ein bisschen ist es schon so. Vielleicht jetzt nicht in Karlsruhe unbedingt, aber wenn man dann beispielsweise auf einer Messe ist. Da arbeitet man zwar tagsüber, ist aber abends in besseren Restaurants und auch in echt guten Bars. Das sind auch die Momente in denen man das Netzwerk auf- und ausbaut. Die meisten Leute lernt man über solche Sachen kennen. Letztlich ist man ja Bindeglied zwischen Künstler und Öffentlichkeit. Die meiste Zeit geht jedoch dafür drauf Transporte zu organisieren, Bürokram und Buchhaltung zu machen, Texte zu schreiben, Fotos zu schießen, die Website zu pflegen, für Bauarbeiten, Streichen, und dafür Sachen rumzufahren. Das ist meist wenig glamourös und romantisch. Deswegen hat man sich die Momente in den coolen Bars mit netten Menschen dann verdient.
Der Galerist ist also ein kommerzieller Vermittler zwischen Künstler und Publikum. Nun haftet Kunst immer etwas Wahrhaftiges und Unangepasstes an; gibt es manchmal einen inneren Konflikt mehr Verkäufer als Vermittler zu sein?
Der Frage liegt ein Missverständnis zugrunde. Das kommt oft aus einem Misstrauen, dem Galeristen gegenüber. Tatsächlich ist es so, dass man ohne den Idealismus, ohne den Inhalt, ohne an das zu glauben, was man da zeigt, auch nichts verkauft. In Wirklichkeit sind es 95 Prozent Vermittlungsarbeit und ist bis dahin komplett unkommerziell und unterscheidet sich nicht von anderen Non-Profit-Geschichten. Nur baue ich damit einen Ruf und ein Vertrauen auf und davon profitiere ich in den letzten fünf Prozent. Nur wenn mir jemand glaubt, dass das, was ich da zeige Qualität ist, dass das gut ist und es dann auch noch der Person gefällt und sie das Geld dazu hat, erst dann kommt es zum Verkauf. Die Verkaufsseite ist bei einer jungen Galerie sehr gering.
Und wie ist das bei großen und erfolgreichen Galerien?
Die guten Galerien, die heute Einfluss haben und die Kunstgeschichte mitprägen, ruhen sich auch nicht aus. Die haben Künstler aufgebaut, die teils von alleine laufen. Dort ist eine Nachfrage da, die den Künstler, die Galerie und alle Beteiligten finanziert. All diese Galerien bauen sich nach und nach weitere junge Künstler auf. Gute Galerien führen immer Künstler, die zwar etabliert sind, aber sperrig im Werk bleiben. Es gibt auch Galerien, die fangen an und suchen sich ein reines Markenprogramm zusammen, da wird es schon fragwürdig. Es ist eher schwierig auf dem Sekundärmarkt, also auf dem Auktionsmarkt, da geht noch deutlich mehr Idealismus und Romantik verloren.
Wieso wolltest du eine eigene Galerie eröffnen, statt in Museen oder anderen Institutionen zu arbeiten? War dir die Selbstständigkeit wichtig?
Ich hab Praktika in Museen und Galerien gemacht und da hab ich festgestellt, dass das, was in einem Museum passiert, für mich zu weit weg ist von aktuellen Entwicklungen. Da gibt es zu viele Zwischenschritte. Bis ein junger Künstler in einem Museum ankommt, ist es verzögert. Außerdem bin ich dann beim Museum angestellt, das wollte ich nie. Mir war schon als Jugendlicher klar, dass ich meinen eigenen Weg gehen möchte. In einer Galerie ist alles unkomplizierter. Entscheidungen fallen schneller. Das geht nicht noch über zig Stellen. Ich war mit 14, 15 Jahren ein Kleinstadtpunk und habe gedacht, ich möchte mein Leben selbst steuern. Selbstständigkeit ist für mich einfach ein guter Weg zu überleben ohne seine Ideale zu verraten (lacht). Wenn irgendwas schief geht, war ich das selbst und bei Erfolgen genauso. Außerdem hat man in einer Galerie selbst direkter mit den Künstlern zu tun. Ich fasse die Sachen an, ich verpacke die, ich hänge die auf. Im Museum sind diese Aufgaben verteilt. Ich bin da auch reingerutscht. Ich habe mit einem Projektraum angefangen, noch während des Studiums. Dann ist aus dem Projektraum eine Galerie geworden und jetzt sitze ich hier und habe eine Galerie.
Woher kommt dein Interesse für Kunst?
Ich habe als Jugendlicher angefangen zu sprühen. Musikalisch hat mich in der Zeit und bis heute Punk und Hardcore geprägt, später auch Hip-Hop. Das hat alles dazu beigetragen und prägt einen. Da hat man was in die Hand genommen und hat etwas gemacht, hat sich Erfolge selbst gebaut, auch auf eben unkonventionellen Wegen. Ich komme aus einem kleinen Dorf im Schwarzwald. Anfangs wollte ich eigentlich Architekt werden, aber dann waren die Deadlines vorbei und ich hab mich für Kunstgeschichte, Philosophie und Vergleichende Religionswissenschaften entschieden. Und das hat mir so gut gefallen, dass ich es bis zum Magister durchgezogen hab.
Hast du dich schon selbst in Werke deiner Künstler verliebt und hast sie selbst gekauft?
Jein! Also ich mag alles, was meine Künstler machen. Dementsprechend sind oft Sachen dabei die ich gerne selbst haben würde. Und ich habe auch tatsächlich von vielen Künstlern Sachen. Aber ich muss natürlich nicht zum Galerienpreis einkaufen. Wenn ich es kaufe, zahle ich den Künstler aus und meistens kann man da was aushandeln, dass man auch mal was geschenkt bekommt. Ich habe natürlich ein paar Sachen daheim, aber die habe nicht bei mir selbst gekauft.
Wieso ist Karlsruhe ein guter Standort für einen Galeristen? Wieso bist du nicht in Leipzig oder Berlin oder London?
Ich hab ein Praktikum bei der Galerie Meyer Riegger gemacht, da habe ich mich entschlossen einen Projektraum aufzumachen. Ich war nun eben mal in Karlsruhe. Aber ich habe es auch gemacht, weil Karlsruhe ein fruchtbares Umfeld ist: Es gibt eine international gut vernetzte Szene, eine sichtbare Szene, die mithalten kann, auch von der Qualität. Die ist aber so klein, dass man einen guten Einstieg hat, relativ schnell Teil davon wird und vernetzt ist. Man ist einfach schnell sichtbar und das wäre in Berlin eben nicht so. Da würde es eher Sinn machen, mit einem bestehenden Netzwerk hinzugehen. Aber für einen Studenten aus Tübingen ist Karlsruhe schon die bessere Idee. Hier kann man in Ruhe ziemlich gut inhaltlich und aufwendig arbeiten.
Für weniger Kunstsinnige hat insbesondere die zeitgenössische Kunst sehr häufig etwas Unverständliches. Geht es dir manchmal auch so, dass du Sachen siehst und sagst, das kapier ich einfach nicht?
Es kommt mal vor, aber selten. Dann ist es aber für mich so, dass ich zu wenig weiß. Ich gehe immer davon aus, dass es etwas zu verstehen gibt. Es sei denn, es ist super kryptisch, dann braucht es auch kein Mensch. Wenn eine Arbeit zur Außenwelt so abgeschottet ist, dass man es nicht verstehen kann, muss es auch nicht sein.
Wie versuchst du dich, diesen Kunstwerken zu nähern? Kunstgeschichtlich methodisch oder lässt du dich dabei auch mal nur von deinen Gefühlen und deiner Intuition leiten?
Das geht Hand in Hand. Grundsätzlich eher mit Intuition und aus dem Bauch raus. Da schwingt aber automatisch immer die Ausbildung mit, wie es immer ist, wenn man etwas schon lange macht, eine gewisse Routine entwickelt und sich daran gewöhnt hat. Man greift ganz einfach darauf zu, wie beim Fahrradfahren oder Instrumentspielen. Die Techniken und das Hintergrundwissen vermischen sich mit dem Bauchgefühl. Das passiert so im Wahrnehmen und Drübernachdenken.
Welche aktuellen Entwicklungen findest du spannend?
Grundsätzlich gibts sehr viele Sachen, die ich sehr spannend finde und sehr viele Sachen, die mich wahnsinnig langweilen und die mich ärgern, weil ich finde, dass sie überbewertet sind und keine Berechtigung und Dauer haben. Aktuellen Entwicklungen bin ich generell misstrauisch gegenüber, weil Aktualität nicht Dauerhaftigkeit impliziert. Am spannendsten finde ich, wie die aktuellen Entwicklungen theoretisiert, verbalisiert und kategorisiert werden. Für mich ist das Erlebte wie ein Fluss, ich könnte das gar nicht immer kategorisieren. Das ist so vernetzt und verstrickt. Weil ich immer sehr nah an den Künstlern bin und die Sachen trotz dem allgemeinen kommunikativen Anspruch, immer individuelle Aussagen bleiben. Deswegen finde ich spannend, wie Leute, die den Abstand haben, die Dinge begreifen. Stichwort Post-Internet oder Meta-Modernism. Hier wird versucht den Zeitgeist einzufangen, der eben nicht über die bloße Rationalität entsteht, sondern über das Machen und die Intuition.
Verfolgst du ein bestimmtes inhaltliches Konzept? Was muss ein Künstler haben oder was muss ein Werk haben, damit du sagst, ok das ist eine Position die will ich vertreten? Gibt’s da einen Kriterienkatalog?
Nein. Wichtig ist für mich, dass es gute Kunst ist. Das hab ich für still und heimlich definiert: Ein Kommunikationssystem, dass Nonverbales und Außerrationales kommuniziert. Fertig. Dann müssen sich das Konzeptuelle und das Ästhetische gegenseitig befruchten und sinnvoll zusammenfunktionieren für mich persönlich. Also wenn es zu viel Konzept ist, dann wird die ästhetische Seite komplett irrelevant und wenn es reine Ästhetik ist, ist es keine Kunst mehr, dann ist es was anderes. Und wenn ich den Künstler dann kennenlerne, möchte ich Dinge sehen, die auch von mir erwartet werden, wie Energie, der Wille etwas zu tun, Selbstreflexion, sodass kein Stillstand entsteht. Ich muss sehen, da wird permanent gearbeitet mit so viel Energie wie möglich. Das mache ich und das erwarte ich von meinen Künstlern.
Der Kunst-Kritiker Jerry Saltz schrieb vom drohenden Tod der Galerieausstellungen. Teilst du diese Befürchtung?
Grundsätzlich halte ich die Ausstellung in Galerien für wichtig und relevant. Wenn das in einem guten Kontext und in einer guten Galerie passiert, dann spielt der Inhalt, die Qualität eine Rolle und hat damit ein Niveau, das Institutionen auch nicht übertreffen. Dadurch ist eine Ausstellung jedes Mal ein kleiner wichtiger Beitrag und führt zu einer Öffentlichkeit, die der Künstler aus eigener Kraft nicht bekommen hätte. Wenn Galerien sterben, dann aus finanziellen Gründen, wie zum Beispiel an der hohen Umsatzsteuer. Das Problem ist eher, dass die Leute erwarten, das die interessanten Sachen zu ihnen kommen, wie zum Beispiel bei Messen.
Das ist ein gutes Stichwort: Saltz macht mehrere Faktoren aus, die den Galerien zu schaffen machen, zum Beispiel Kunstmessen. Spürst einen Zwang zur Messeteilnahme?
Ja na klar. Gerade wenn man aus der Kunstprovinz kommt, ist es umso wichtiger. Messen haben so eine wichtig Rolle mittlerweile, dass man sich nicht mehr dagegen wehren kann. Es gibt immer wieder etabliertere Galerien, die den Ausstieg wagen, aber das geht nur dann wenn deine Galerie sowieso in New York sitzt und New York ist wie eine Ganzjahresmesse. Die Kuratoren, Kunden und Kritiker kommen da vorbei. Aber diese Galerien sind ja nur deswegen so erfolgreich, weil sie zuvor Messen gemacht haben. Das muss eher heißen: Ich brauche keine Messen mehr. Würde ich auch gerne können, auf Messen verzichten. Andererseits ist es immer eine schöne Gelegenheit zu reisen. Und außerdem ist es mit einem Standort wie Karlsruhe total wichtig.
Welche Erfahrungen konntest du in China sammeln? Sowohl auf das Land als auch auf den Markt und die Kunst bezogen? Gibt es frappierende Unterschiede in der Wahrnehmung und Kommunikation?
Es ist überhaupt mal eine krasse Erfahrung. Hongkong ist als Stadt total interessant und bereisenswert. Aber es ist halt anders. Die Masse der Käufer sind Festland-Chinesen, die durch die politischen Veränderungen in irgendeiner Form zu Geld gekommen sind. Dann ist es immer die klassische Entwicklung, man gibt das Geld zunächst für Luxusartikel aus, wie ein großes Haus und Sportwägen. Die Masse der Käufer fängt dann sich für Kulturgüter zu interessieren. Da ist das Verständnis von Kunst und von Markt ganz anders. Ich muss dort sehr oft erklären, warum meine Preise so niedrig sind. Dort sind 2000 Euro nicht viel Geld. Ich erkläre dann wie ich vorgehe, dass man junge Leute langsam aufbaut und nicht die Preise gleich in die Höhe treibt. Ich hätte nie gedacht, dass ich so ein Gespräch führen muss, aber dort mache ich es regelmäßig. Ich formuliere da anders, damit ich auch keine Wissenslücken aufdecken muss.
Am kommenden Samstag ist Galerientag, was wirst du präsentieren?
Die nächste Eröffnung ist mit Awst&Walter am kommenden Samstag ab 15 Uhr, einem Künstlerpaar, das auch verheiratet ist. Die beiden sind eigentlich Konzeptkünstler und schaffen es das so umzusetzen, dass ein nicht verbalisierbarer Rest bleibt, der Kunst zu Kunst macht und auch spannend macht. Bei mir werden zwei Arbeiten gezeigt, zum einen erscheint von ganz gesättigt grün bis ganz weiß das Notausgangszeichen. Es verschwindet von zu viel Farbe bis hin zu viel zu wenig Farbe. Zum anderen haben wir aus Glas Poller anfertigen lassen. Das hat auch was Restriktives ist aber sehr zerbrechlich. Der Galerienrundgang ist das einzige richtige Galerien-Event in Karlsruhe. Das ist sehr spannend, weil die Ausrichtungen der Galerien so unterschiedlich sind. Es gibt sehr regionale oder internationale Galerien. Man kann hier die komplette Bandbreite mitnehmen. So eine Gelegenheit mit Eventcharakter, wo man hier und dort was trinken oder sich auf der After-Party im Vanguarde treffen kann, bietet sich nur einmal im Jahr.
Vielen Dank für das Gespräch und viel Glück in Zukunft mit deinen Projekten!
Danke auch!
Hallo,
sehr interessantes Gespräch. Danke !
LG, Peter