Nach zwei Singer-Songwriter-Alben erschien im Dezember 2014 „Ford“, das dritte Album von Tom Mess, erstmals eingespielt mit Schlagzeug, Bass, E-Gitarre und Lap Steel. Zur LP mit zehn Tracks wurde eine limitierte 7Inch mit vier weiteren Liedern gepresst, beides veröffentlicht vom Karlsruher Label Red Lounge Records. Americana, oder Alternative Country, ist sein Genre, in dem sich typische Country-Klänge mit Einflüssen aus dem Punkrock und Independent vermischen. Mit rauer Stimme singt der frisch gebackene Vater über das Leben, Zigaretten und Whisky. Fünf Jahre war der Karlsruher mit der Akustikgitarre unterwegs, nach Ablenkung, Beschäftigung und Erlebnissen suchend, um im Studio anzukommen und einen anderen Weg einzuschlagen. Im Interview erzählt uns Tom von seinem musikalischen Werdegang, dem neuen Album und seinen Erfahrungen, nach vielen Jahren wieder mit Fullband auf der Bühne zu stehen. Viel Spaß damit!
Hallo Tom. Wer bist du und was machst du?
Ich bin der Thomas, aka Tom Mess, und mache Musik.
Wie bist du zur Musik gekommen?
Gute Frage, das ist schon lange her. Ganz am Anfang war, glaube ich, die Bravo. Da gab es ganz hinten immer eine Seite Metal. Darüber bin ich zur Musik gekommen, das fand ich immer ganz nett. Ich hab mir eine Gitarre gekauft und dann gings los, mit dreizehn. Zuerst hab ich dann Akustikgitarre gespielt, im Musikverein, aber das hat irgendwann keinen Spaß mehr gemacht und dann hatte sich die Sache auch erledigt. E-Gitarre hab ich mir dann selbst beigebracht.
Spielst du weitere Instrumente, neben der Gitarre?
Schlagzeug – und Bass geht auch. Auf der Platte ist das Schlagzeug von mir.
Welches Equipment nutzt du?
Ich hab eine Akustikgitarre, eine Aria, die ist 30 Jahre alt. Die sieht ganz gut aus und klingt auch okay. Ansonsten hab ich noch eine Fender. Verstärker brauche ich ja erst jetzt wieder, aber da ich meinen alten nicht mehr benutzten kann, habe ich momentan noch keinen.
Welche musikalischen Einflüsse oder Idole hast du?
Heute ist es auf jeden Fall Drag The River. Früher hab ich so ziemlich alles durchgemacht. Von der Metal-, Punk-, Hardcore-Ecke, zum Singer-Songwriter-Zeug.
Was hörst du privat für Musik?
Zur Zeit eigentlich gar nichts, weil das Baby das nicht so mag (lacht). Aber sonst auf jeden Fall Alternative-Country-Bands, Chuck Ragan, Hot Water Music, aber auch härtere Sachen.
Woher nimmst du die Inspiration für deine Songs?
Das weiß ich selbst nicht so genau. Ich denke, das sind eher solche Dinge, die einen beschäftigen. Probleme, Freude, Ärger. Aus dem Leben eben.
Lässt du dich auch von anderen Bands und Künstlern inspirieren?
Ja, natürlich. Jeder macht das, denke ich. Wer das abstreitet, lügt (lacht).
Was würdest du sagen, ist dein Markenzeichen?
Die Stimme vielleicht und die direkte Art das Ganze rüber zu bringen – nicht so verspielt, nicht zu euphorisch.
Wie würdest du deine Musik beschreiben?
Mittlerweile ist sie gechillter, wenn man das so sagen kann, von der Richtung her. Wahrscheinlich würde man sagen, es klingt nach Rock – und das ist es auch irgendwo.
Deine Stilrichtung ist Americana beziehungsweise Alternative Country – was kann man sich darunter vorstellen?
Ein paar alternative Kids, die keinen Bock auf die typische amerikanische Countrymusik hatten, die sehr rechts-patriotisch sein kann, haben den Stil entwickelt. Anfang der Neunziger haben sie Punkeinflüsse mit in ihre Musik aufgenommen, aber trotzdem Countrysounds gemacht. Von der Attitude her Punk, aber vom Sound her Country – und das war dann Alternative Country. Es kommt jetzt gerade auch ein bisschen mehr in Umlauf, von Amerika rüber geschwappt. Ich höre das schon länger und deswegen ging meine Musik dann auch in diese Richtung.
Wie vollzog sich dein musikalischer Werdegang vom Punkrock zum Alternative Country?
Die damalige Punkrockband, in der ich gespielt hab, hatte sich erledigt, als ich so 29 war. Und dann wollte ich unbedingt weiter machen, hatte aber auch keinen Bock mehr auf eine neue Band. Und dann gings alleine mit der Gitarre weiter. Ich hab in Clubs, Bars und Wohnzimmern gespielt. Solo ungefähr fünf Jahre lang und jetzt wieder mit Band.
Wie ist es für dich, wieder mit einer Fullband aufzutreten?
Verrückt. Man kommt besser in die Musik rein. Man denkt nicht so viel darüber nach, sondern spielt einfach. Wenn man da alleine steht, denkt man zu oft darüber nach, wie man reinkommt, damit auch das Gefühl stimmt. Also es war eine super Erfahrung nach fast sechs Jahren.
Du hattest eine Tour in Amerika – wie kam es dazu?
Mit der alten Band hatten wir hier eine Tour zusammen mit einer Band aus Chicago. Der Sänger dieser Band, Jared, meinte, komm doch mal rüber, dann touren wir zusammen. Und das hab ich dann gemacht. In und um Chicago herum waren das dann neun Shows in acht Städten. Zum Beispiel in Cincinnati und Grand Rapids. Und es gab vorher noch eine Show in Florida.
In Europa warst du auch unterwegs, du hattest vier ausgedehnte Tourneen?
Ja, da war ich in Spanien unterwegs, viel in Italien und der Schweiz und einmal auch in der Tschechei und in Frankreich. Vieles davon zusammen mit meinem Kollegen Perry O´Parson, der auch Singer-Songwriter ist.
Gibt es in Karlsruhe und Umgebung eine Szene oder andere Americana-Künstler, mit denen du dich vernetzt?
Nein, eigentlich nicht. Perry O´Parson geht in die Richtung, aber sonst kenne ich hier keine solchen Künstler. Es gibt natürlich die Rockabilly-Szene, die auch leicht Country-angehaucht ist, aber da hab ich weniger Lust dazu. Von daher – eher schwierig.
Wann war dein letztes Konzert, das du in der Gegend hattest?
Das war die Releaseshow zur neuen Platte in der Alten Hackerei in Karlsruhe.
Tom mit Fullband in der Alten Hackerei bei der Releaseshow
Zu deiner neuen Platte haben wir jetzt schon ein bisschen was von dir gehört. Wie lange hat es gedauert, das Album einzuspielen?
Im Januar haben wir (also Tom und Studioleiter Matthias Müller, der auch Bass, Lapsteel und Banjo eingespielt hat) einen Song aufgenommen und dann im Februar entschieden, dass wir alle Songs, die ich habe, aufnehmen und dann mal schauen, was passiert. Das waren dann 22 Songs. Das hat ungefähr bis Juli gedauert. Danach haben wir das Schlagzeug eingespielt. Im August waren wir dann fertig. Bis die Platte gepresst war, hat es auch noch ein Weilchen gedauert. Ende November war dann alles abgeschlossen.
Letztendlich sind zwei Platten mit unterschiedlichen Songs entstanden. Wieso?
Zum einen wegen der Länge. Ich wollte, dass sie stimmig wird, also dass alle Songs auf der Platte auch zusammen passen. Weil dann noch vier Songs übrig waren, die wir aber auch unbedingt auf Platte bringen wollten, dachte ich, ich mach noch eine 7Inch. Ja, deshalb gibt es jetzt eine LP und eine limitierte 7Inch.
Warum war es dir wichtig, dass die Platte auf Vinyl erscheint?
Es gab vorher schon 7Inch Releases, aber keine LP. Und ich wollte das unbedingt machen, bevor das Baby kommt, weil man nicht weiß, wie es dann weiter geht. Als Singer-Songwriter hat das davor wenig Sinn gemacht, immer Platten rumzuschleppen. Man braucht einen Behälter, damit sie nicht verknicken usw. Im Zug mit Platten in der Tasche zu fahren, geht eben nicht. Und zu Singer-Songwriter-Zeiten war ich viel mit dem Zug unterwegs. Mit Band hat es sich jetzt eben angeboten, eine Platte zu machen, da man zu den Gigs jetzt so oder so mit dem Auto hinfahren muss.
Das Cover der neuen Platte “Ford”
Wie sind deine Songs entstanden?
Es gibt viele Songs, die teilweise schon sehr alt sind, die ich dann aber erst im Studio fertig geschrieben habe – oder beziehungsweise den Abend zuvor daheim.
Wie sieht dein Liedschaffungsprozess aus – ist erst ein Text da und dann kommt die Musik?
Also ich schreibe oft zuerst den Text und dann kommt die Musik. Und es wird meistens lange daran herumgefriemelt. Manche Songs auf der neuen Platte sind echt sechs Jahre alt. Und vieles kommt, glaube ich, aus Langeweile. Also meine Arbeitszeiten sind recht flexibel, sag ich mal und wenn man dann um vier daheim ist, zum Beispiel, was macht man dann? Fernsehgucken? Nein. Man setzt sich einfach an die Gitarre, raucht und trinkt dann wahrscheinlich noch ein Bier und dann kommt das so.
Du bist gebürtiger Karlsruher. Was gefällt dir hier besonders gut – und was nicht?
Mir gefällt alles an Karlsruhe. Ich mag es hier, mein Job ist hier, meine Freunde sind hier.
Wo gehst du hin, wenn du in Karlsruhe Kultur konsumieren willst?
Raus auf die Straße. Konzerttechnisch hat es mich eher immer raus aus Karlsruhe gezogen. Ich glaube, das alleine umher ziehen und das zu machen, was nicht so viele machen, war immer irgendwie wichtig für mich. Man will ja nicht in der Masse untergehen – was du natürlich früher oder später trotzdem machst. Ich bin aber auch nie derjenige gewesen, der viel weggeht, um sich mit Gleichgesinnten zu treffen.
Wenn man über dich liest und recherchiert, heißt es oft, das Schreiben und Musizieren lenke dich vom Alltag ab. Ist das so?
Das ist so, auf jeden Fall. Das ist immer irgendwie mein Anker. Jetzt mit dem Baby nimmt man das alles irgendwie noch mehr auf. Früher mit 18, 19 konnte man alles noch abwinken. Man hat sich zwar auch für Politik interessiert, aber man dachte, die machen das schon irgendwie. Aber mittlerweile denkt man eher, da klappt ja gar nichts. Von daher gibt es nur einen Ausweg – ablenken. Flucht, bis zu einem bestimmten Grad, bevor man verrückt wird.
Oftmals wird dir Pessimismus nachgesagt – wie ist deine Einstellung zum Leben?
Nach Außen hin auf jeden Fall. Ich glaube Innen ist es ein bisschen anders. Ich schwanke immer hin und her, glaube ich.
Was erfüllt dich mehr: Das Schreiben oder das Musizieren?
Das Schreiben war eigentlich auch nur aus purer Langeweile. Bevor ich ins Studio bin, wusste ich musikalisch nicht mehr genau, was ich da mache. Die Konzerte haben mir nicht mehr so gefallen. Ich hab mir zu viel Kopf über die musikalischen Dinge gemacht und bin auf keinen grünen Zweig gekommen und hab dann eben geschrieben. Dann kam die Chance mit dem Studio. Und dann ging es wieder bergauf. Wenn man zwei Dinge hat, auf die man sich konzentrieren kann, ist mal das eine und mal das andere mehr gefragt, für einen selbst. Es ergänzt sich aber auch, man spielt sich quasi selbst die Bälle zu. Das Vertiefen in eine Sache ist glaube ich das, worum es eigentlich geht.
Was würdest du jüngeren Künstlern mit auf den Weg geben?
Vielleicht einfach machen und nicht zu viel nachdenken. Ich denk wahrscheinlich immer etwas zu viel nach, das macht es nicht immer einfacher.
Im Januar kam deine kleine Tochter zur Welt – wie geht es denn jetzt weiter? Wie sind deine Pläne?
Ein paar Konzerte sind auf jeden Fall geplant. Im Mai wollen wir ein paar Shows spielen. Und dann mal weitersehen. Also aufhören möchte ich nicht. Und ich schreib auch schön fleißig weiter.
Einen schönen Eindruck von Toms Musik gibt es in diesen beiden Videos zu “Old Shine” und “Gloria”:
Wir hoffen auf weitere Werke von Tom und natürlich auf Konzerte hier in Karlsruhe und wünschen ihm viel Erfolg beim Papasein. Wen das Interesse gepackt hat, weitere Infos gibt es hier: