Zum Thema ‘Neuanfang’ behandelt die Erstausgabe des Magazins persönliche Geschichten über die Herausforderungen des Alltags – von Karlsruhern über Karlsruhe. Die Publikation fällt sofort ins Auge: Gestaltung und Inhalt haben Charakter. Julia Bauer, Projektleiterin, Art Direktorin und Redaktionsleiterin von ‘karakter’, erzählte uns vom Werdegang des Magazins, das durch die Vielfalt an Genres und sehr intime Einblicke überzeugt!
Julia Bauer konzipierte die Erstausgabe des Magazins ‘karakter’ als Diplomarbeit an der Hochschule für Gestaltung (HfG). War anfänglich noch eine Überarbeitung der Straßenzeitung ‘Karlsruher Straßenkind’ angedacht, entwickelte sich die Idee zu einer autonomen Publikation weiter: Passionierten SchreiberInnen, FotografInnen und auch KünstlerInnen soll das Magazin eine Plattform geben, soziale und gesellschaftliche Themen rund um das Leben in Karlsruhe auf eine ganz eigene Art und Weise zu bearbeiten. Durch Einblicke in persönliche Geschichten wird ein sehr privates Bild der Fächerstadt und ihrer Bewohner gezeichnet.
Ein Magazin zeigt Charakter – inhaltlich und gestalterisch.
Die Beiträge des Gesellschaftsmagazins umfassen ein breites Spektrum an Genres: Persönliche Geschichten, Interviews, eine Fotostrecke, ein Prosatext und ein psychologischer Leitfaden sorgen dafür, dass Eintönigkeit keine Chance hat. Die Individualität der Inhalte spiegelt sich auch im Design des Magazins wieder: Nicht nur hat es durch das A3 Format eine besondere Größe, auch die Gestaltung jeder einzelnen Seite ist detailliert entworfen – darauf hat die ehemalige Kommunikationsdesignstudentin viel Wert gelegt: „Ich finde, dass beides sehr wichtig ist: Inhalt und Gestaltung. Da der Name ‘karakter’ ist, muss das Magazin natürlich auch Charakter zeigen und etwas Individuelles aufweisen. Deshalb habe ich mich für dieses Sonderformat entschieden: Von der Höhe her A3, aber 12 mm kleiner in der Breite.“ Eine weitere Besonderheit: Das Magazin hat keine klassische Strukturierung durch Rubriken, sondern es umfasst drei Kapitel, ‘Ich wage es’, ‘Ich bin dabei’ und ‘Ich reflektiere’.
Persönliche Geschichten über die Herausforderungen des Alltags
Für die erste Ausgabe von ‘karakter’ erhielt Julia Unterstützung von sieben weiteren KarlsruherInnen, die sich individuell und sehr unterschiedlich mit dem Thema ‘Neuanfang’ auseinandergesetzt haben. „Bei ‘karakter’ werden Einzelpersonen Karlsruhes in den Fokus gerückt, Schicksale und soziale Themen“, so Julia. Dadurch grenzt es sich von anderen etablierten Formaten ab, wie Kunst- und Kulturmagazinen oder regionalen News-Berichterstattern. So porträtiert die Medienkunststudentin Karolina Sobel in ihrer Fotostrecke ‘Beeinträchtigte Sicht’ Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit, die ihren Alltag dank spezieller Utensilien meistern. Ines beispielsweise nutzt ein Monokular: „Obwohl es mich erschöpft, lese ich Bücher, denn ich brauche das Gefühl sie in der Hand zu spüren.“ Liane hingegen bedient sich des digitalen Fortschritts: „Heutzutage ersetzen Apps viele Hilfsmittel. Mit dem iPhone kann ich heute kommunizieren, Mails und Nachrichten lesen oder schreiben und Stimmen aufnehmen.“
Martin Krieglstein lässt den Leser via Zeichnungen und handschriftlicher, tagebuchartiger Notizen an einer Umbruchphase seines Lebens teilhaben: Der Künstler wagte den Schritt weg von existenzsichernden Einnahmequellen, hin zur unsicheren Selbstständigkeit mit eigener Galerie.
Eine weitere, sehr intime Geschichte erzählt Maya Posch: Die Niederländerin wurde mit weiblichen und männlichen Geschlechtsmerkmalen geboren. In ihrem Artikel ‘Maya´s Geschichte’ beschreibt sie die Beziehung zu einem Körper, der Fragen aufwirft, aber auch den Prozess des Lernens, mit den Reaktionen des Umfeldes umzugehen.
Natürlich war Julia selbst auch inhaltlich an ‘karakter’ beteiligt: Die 28-Jährige hat zum Einen die Illustrationen zu Andreas Webers Artikel ‘Könnte ich vielleicht ein bisschen Starthilfe bekommen?’ beigesteuert und zum Anderen einen eigenen Artikel für das Magazin verfasst: ‘Kind sein in der Kriegsstraße 200’. Mit Maren Näckel, die die Kinder in dieser Flüchtlingsnotunterkunft ehrenamtlich betreut, hat sie ein Interview über Aufbau, Motivation und Schicksale geführt. Hier schließt sich der Kreis: Die Einnahmen der Erstausgabe kommen der Kinderbetreuung zugute, alle Mitwirkenden haben dafür auf ein Honorar verzichtet.
Autorin Judith Lasar gibt in ihrem Artikel ‘War mein Opa Nazi?’ eine Anleitung, wie man sich im Generallandesarchiv Karlsruhe auf Spurensuche in vielleicht verborgene Kapitel der eigenen Familiengeschichte begeben kann. In Lianna Lukimtos Holzschnitten zeigen Karlsruher Bäume Charakter und Lea Krug erzählt vom wechselhaften Leben der 93-jährigen Rosemarie von Godlewski, die nach der Flucht vor Krieg und Diktatur aus Lettland über Polen und die DDR letztlich in Karlsruhe sesshaft wurde. Das Magazin schließt mit dem Titel ‘Am Ende wird alles gut’.
Woher kann ich ein ‘karakter’-Magazin bekommen und wie geht es weiter?
750 Exemplare des auf Recyclingpapier gedruckten und kostenlosen Magazins wurden über ganz Karlsruhe verteilt. Wenn ihr Glück habt, werdet ihr noch fündig – beispielsweise im ZKM, im Naturkundemuseum, der Landesbibliothek, im Café Palaver oder im Mapa. Falls alle Magazine bereits vergriffen sind, gibt es hier den Link zur Erstausgabe!
Zweimal im Jahr soll ‘karakter’ zukünftig erscheinen – jeweils zu einem anderen Thema. Bleibt auf dem Laufenden, oder bringt eure Ideen ein – via Facebook oder E-Mail.