Sind wir heute die Gleichen wie gestern? Dieser Frage stellt sich die Kunstausstellung Gestern und Häuten, in deren Mittelpunkt die Werke der französischen Künstlergruppe ‘Collectif Körper’ stehen. Mit einem Kunstwerk verhält es sich wie mit dem menschlichen Körper: Beide treten in unmittelbare Wechselwirkung zu ihrer Umwelt, beide können immer wieder neu bearbeitet, transformiert werden, bis das (vorläufig oder endgültig) gewünschte Ergebnis erreicht ist. Diese Aspekte der Wandelbarkeit werden in der Ausstellung auf unterschiedlichste Art und Weise via Zeichnungen, Malerei, Fotografie, Performance oder Objektkunst behandelt. Organisiert wurde die Ausstellung, die noch bis zum 5. Juli in der Villa Kolb zu sehen ist, von Maren Pfeiffer und Luisa Banhardt, zwei Kulturmanagementstudentinnen der Karlshochschule. Wir haben die beiden zum Interview auf der Vernissage getroffen…
Professorin Christina Griebel von der Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe bringt es in ihrer Ansprache auf den Punkt: „Auch Bilder sind Häute, die animiert wurden“. Wie unterschiedlich sich das Motiv der Transformation des Körpers, der Haut, nicht nur auf Bildern umsetzen lässt, zeigt bereits der erste Gang durch die Ausstellung: Haut, Häutung und ihre Metamorphose werden auf zwei Stockwerken eingehend thematisiert. Vanessa May legt den Bundesadler in Seile und gibt seine Oberfläche dem Verfall Preis, Julie Laignel verbindet in ihrem Werk zwei Menschen über ihre Münder und Matthias Schleifer setzt in seinen Fotografien einzelne Körperteile plastisch in Szene. Bunt bemusterte Büsten steuert der Kurator der Ausstellung, Reinhard Voss, bei. Mael Nozarius Bilder erinnern an die Vergänglichkeit des Seins, ihr düsterer Charakter hat einen starken Ausdruck. In Gabriele Beismanns sechszehnteiligem Werk sind die Umrisse menschlicher Gestalten auf unterschiedlichsten Hintergründen und Materialien verortet. Ein sich wiederholendes Bildmotiv ist der menschliche Schädel. Sei es in Cedric le Corfs Radierungen oder im Gefieder der Vögel in Arnaud Rochards Holzschnitten.
Eine Verwandlung durchläuft auch der aus Frankfurt angereiste Künstler Dirk Baumanns während seiner Performance. Baumanns trägt zunächst eine Maske mit Phallus und Rektum. Er häutet sich, gibt Schuppen seiner Maskenhaut an die umstehenden Besucher weiter. An seinem Rednerpult beginnt die Metamorphose: Er nimmt seine Maske ab, entkleidet sich und reibt seinen Körper mit der Asche eines verbrannten Buches ein. Nach Einkleidung in Anzug und Schlips reinigt er seine Haut mit Geldscheinen, die er anschließend wiederum unter den Zuschauern verteilt. „Die Performance ist eigentlich allein durch den Titel und die Thematik der Ausstellung entstanden. Ich habe die Performance Stück für Stück nacheinander aufgebaut. Dann kam noch hinzu, dass unten der Kamin war, der dann zum Schlüsselelement wurde, weil ich es ganz gerne mag, aktiv mit dem Ort zu arbeiten“ (Dirk Baumanns). Durch seine Performance setzt er seine äußere Hülle mit seinem Umraum in Beziehung – das Publikum reagiert in angepasster Form, lachend, irritiert, bewundernd.
Doch nicht nur der menschliche Körper ist wandelbar, sondern auch das Kunstwerk. So kann ein Künstler, der sein altes Bild aufgrund knapper Ressourcen übermalt, etwas ganz Neues schaffen – und auch wieder verwerfen, beschreibt Luisa. Und das macht Kunst aus, im Fluss zu sein. Dies erfüllen auch die Arbeiten der jungen französischen Künstler der Gruppe ‘Collectif Körper’. Warum die Wahl gerade auf sie fiel: „Es sind tolle Persönlichkeiten, die auch noch tolle Kunst machen!“ Die Kaltnadelradierungen von Cedric le Corf haben für Maren eine besondere Wirkkraft: „Diese Radierungen haben so viel Power, dass es so aussieht, als hätte er mit einer Maschine das Blatt bearbeitet. Und trotzdem haben seine Arbeiten so viel Klarheit“. Für sie macht gerade die Heterogenität in den Werken, aber auch in den Arbeitstechniken und Arbeitsstilen der französischen Künstlergruppe den Reiz aus, den sie auf das gesamte Ausstellungskonzept übertragen wollten. So mussten die Stücke auch mit den Räumlichkeiten der Villa Kolb zusammengebracht werden. „Die Villa bietet an, dass man raumbezogen arbeitet. Zudem hat sie einen gewissen Spirit, man sieht es ihr an, dass sie schon viel durchlebt hat. Und deshalb passt sie zu Gestern und Häuten auch sehr gut“, so Luisa. Freuen darf man sich nach Maren auf „ganz viel Vielfalt“ und auf Kunst „die in den Raum passt, aber die dennoch nicht untergeht“.
Die größte Herausforderung bei der Konzeption der Ausstellung – die Zeit. So wurde in der heißen Phase nächtelang organisiert und geplant, in Marens Fall im Flüsterton von einem Badezimmer in Madrid ausgehend. Die Anstrengungen haben sich in jedem Fall gelohnt! Wer nächstes Wochenende Zeit hat, sollte sich Gestern und Häuten unbedingt ansehen!
Wann? 18. Juni – 5. Juli | Fr – So | 11:00 – 19:00 Uhr
Wo? Villa Kolb | Gellertstraße 14, 76185 Karlsruhe
Blog zur Ausstellung: Gestern und Häuten
Weitere Termine nach Absprache: Maren Pfeiffer