„My story is in fact that I am diptych, which is not all that comfortable sometimes.“
Sean Scully in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe
Sean Scully fixiert sein Gegenüber, formt mit seinen Händen Bewegungen nach, die ihm scheinbar vorgegeben werden, versinkt kurz in sich selbst, richtet seine Aufmerksamkeit wieder nach Außen, gewinnt rückwärtslaufend räumlichen Abstand, nähert sich wieder, tänzelnd, kommt nah, näher, schmiegt sich an das Gegenüber, auf dessen gelb-rot gestreifter Oberfläche sich die Atelierfenster spiegeln. R.E.M. singen „Everybody hurts“.
Die Szene aus dem Film „Passenger“ (1997) von Robert Gardner zeigt den Künstler Scully in seinem Atelier und gewährt einen intimen Einblick in den Entstehungsprozess der Gemälde, die zweifelsohne mehr sind als Farbe auf Leinwand: Es sind Dialogpartner, Verdichtungen existenzieller Erfahrungen, die anhand des Mal-Aktes sichtbar gemacht werden.
Die Einzelausstellung „Vita Duplex“ des Künstlers Sean Scully (*1945 in Dublin) in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe ist nicht bloß eine Präsentation von rund 130 Werken aus beinahe 50 Schaffensjahren. Sie ist eine Einladung, sich ins Scully-Universum zu begeben in dem die einzelnen Arbeiten wie Satelliten im Orbit des Zentralkörpers „menschliches Sein“ zirkulieren. Am Eingang nimmt ein auf die Wand gedrucktes Zitat Scullys die Funktion eines knappen aber präzisen Vorwortes ein: „Nichts ist abstrakt. Es ist immer noch ein Selbstbildnis. Ein Bildnis des eigenen Zustands.“
Auf dem Weg durch das (nicht-)abstrakte Universum Scullys wird die Besucherin behutsam an der Hand genommen: Neben den zahlreichen Acryl- und Ölgemälden auf Leinwand und Aluminium geben Aquarelle, Pastelle, Zeichnungen, Notizbücher und Fotografien Einblick in das vielseitige Schaffen des Künstlers. Neben dem Film „Passenger“ lassen auch die ausgestellten Textpassagen aus der Publikation „Inner“ (erschienen bei Hatje Cantz, 2018, 336 Seiten, 122 Abbildungen) hinter die Kulissen blicken. „Inner“ versammelt Scullys umfangreiche theoretische Überlegungen in Form von Texten, Ideenskizzen, Notizen und Gesprächen und gibt so Auskunft über die philosophischen, literarischen und malerischen Bezugspunkte anhand derer Scully seine Arbeit an der Abstraktion jenseits des von der Postmoderne ausgerufenen Endes der Malerei vollzieht. In der Ausstellung wird die textliche Ebene durch kurze kuratorische Kommentare ergänzt, die als roter Faden dienen, der durch das Oeuvre des Künstlers leitet und die (Weiter-)Entwicklung der Bildsprache nachvollbar macht. So führt der Gang von seinen frühen Rasterbildern der 1970er Jahre zu den Bildarchitekturen der 1980er und 1990er Jahre – objekthafte Bildkörper, die aus mehreren Leinwänden gebaut sind und in den Raum hineinragen. Die „Insets“ folgen dem Prinzip „Bild im Bild“: in die großformatigen Leinwände sind kleinere Leinwände eingelassen, so dass sich die unterschiedlichen Elemente wechselseitig beeinflussen, sich voneinander unterscheiden und dennoch zusammengehören. Auch das Gemälde „Vita Duplex“ (1993), das der Ausstellung seinen Namen leiht, beruht auf dem Prinzip der Polarität, des Nebeneinanders unterschiedlicher Zustände.
Der Ausstellungstitel spielt derweil auf zwei verschiedene Aspekte an: Zum einen bezieht er sich auf die Doppelbegabung Scullys, seine Gedanken und inneren Vorgänge nicht nur malerisch umzusetzen, sondern auch in Worte zu fassen und betont die enge Verbundenheit des Mal-Aktes mit jenem des Schreibens. Zum Anderen kommt hier die Dualität zum Ausdruck, das Miteinander gegensätzlicher Elemente, das sowohl Prinzip seiner künstlerischen Auseinandersetzung als auch Kennzeichen des menschlichen Daseins ist. Hierzu Scully in dem von der Agentur Triebfeder produzierten Künstler-Porträt: „Vita Duplex, of course, means double life or to quote Yeats: a divided soul is what creates pain and beauty. So, we all have more than one reality, we all have double feelings, double points of views about more or less everything and to try and force ourselves into a single way of looking at the world or situation is in a sense false and ultimately dangerous. It’s not good for us.”
Es lohnt sich, diesem Gedanken Raum zu geben und die verbleibenden Wochen bis zum 5. August zu nutzen um in Sean Scullys abstrakte Zustandsbeschreibungen und Reflexionen über das menschliche Dasein einzutauchen.
Text / Redakteurin:
Fotos & Video:
Öffnungszeiten:
Dienstag – Sonntag 10 – 18 Uhr
Montags geschlossen
Eintritt:
Regulär: 8€ / Ermäßigt 6€
Öffentliche Führungen:
Jeden Sonntag findet um 15 Uhr eine öffentliche Führung durch SEAN SCULLY. Vita Duplex statt.
Teilnahmebetrag: 2€ zzgl. Eintritt
Kontakt:
Website: www.kunsthalle-karlsruhe.de
Hotline: (0721) 926 26 96
Email: info@kunsthalle-karlsruhe.de
Anmerkung: Bei diesem Artikel handelt es sich um ein Advertorial.