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In zahlreichen deutschen Städten gibt es temporäre Zeltlager, die auf das Thema Klimaschutz aufmerksam und damit auf die Klimapolitik einwirken wollen. So auch seit über 100 Tagen vor dem Karlsruher Schloss. Die Organisator*innen des Camps, die teilweise aus Ortsgruppen wie Fridays for Future, dem Klimakollektiv Karlsruhe und Greenpeace hervorgehen, möchten gemeinsam gegen die Karlsruher Klimapolitik protestieren und die Bevölkerung mit Workshops und Vorträgen weiterbilden. Unter dem Motto “Wir bleiben, bis ihr handelt!” haben diese nun auch schon ihre Forderungen an den Karlsruher Gemeinderat ausgearbeitet und der Stadt vorgestellt. Wir haben mit zwei Organisator*innen des Klimacamps ein Interview geführt und über ihre Motivation, die Organisation des Camps und ihre Meinungen und Wünsche gesprochen. Die konkreten Forderungen an die Stadt Karlsruhe und der Grund, weshalb sie eine Nachtwache organisieren mussten, könnt ihr hier im Interview lesen!

In zahlreichen deutschen Städten gibt es temporäre Zeltlager, die auf das Thema Klimaschutz aufmerksam und damit auf die Klimapolitik einwirken wollen. So auch seit über 100 Tagen vor dem Karlsruher Schloss. Die Organisator*innen des Camps, die teilweise aus Ortsgruppen wie Fridays for Future, dem Klimakollektiv Karlsruhe und Greenpeace hervorgehen, möchten gemeinsam gegen die Karlsruher Klimapolitik protestieren und die Bevölkerung mit Workshops und Vorträgen weiterbilden. Unter dem Motto “Wir bleiben, bis ihr handelt!” haben diese nun auch schon ihre Forderungen an den Karlsruher Gemeinderat ausgearbeitet und der Stadt vorgestellt. Wir haben mit zwei Organisator*innen des Klimacamps ein Interview geführt und über ihre Motivation, die Organisation des Camps und ihre Meinungen und Wünsche gesprochen. Die konkreten Forderungen an die Stadt Karlsruhe und der Grund, weshalb sie eine Nachtwache organisieren mussten, könnt ihr hier im Interview lesen!

Wer seid ihr und was macht ihr?

Simon: Ich bin Simon, 24 Jahre alt, habe im Bachelor Maschinenbau studiert und werde ab Oktober meinen Master im Fach Ökonomie beginnen. Ich arbeite als studentische Hilfskraft in einem Forschungsprojekt, dem Reallabor “Quartier Zukunft”, und engagiere mich neben dem Aktivismus in der Klimagerechtigkeitsbewegung in einer Hilfsorganisation (Keep Smiling e.V.).

Lillith: Ich bin Lillith, 15 Jahre alt, und verschwende momentan viel Zeit in der Schule (9. Klasse). Neben der Schule und dem Klimacamp engagiere ich mich bei der Linksjugend Solid und bei Fridays for Future.

Seit wann seid ihr beim Klimacamp dabei und warum habt ihr euch dazu entschlossen mitzumachen?

Wir sind beide seit dem Beginn der Planungen für das Klimacamp dabei. In erster Linie waren für uns die Wut aufgrund der Untätigkeit unserer Regierung und die fortlaufende Naturzerstörung in Zeiten mehrerer ökologischer Krisen, ausschlaggebend dafür, ein Klimacamp zu organisieren. Die Klimakrise muss natürlich global bekämpft werden aber auch auf lokaler Ebene brauchen wir mehr Klimaschutz. Deshalb protestieren wir.

Wann habt ihr euch zum ersten Mal mit dem Thema Nachhaltigkeit und Umwelt beschäftigt? Gab es einen bestimmten Auslöser, der euch dazu gebracht hat, euch aktiv einzusetzen?

Ich habe vor circa vier Jahren damit angefangen, mein Konsumverhalten mehr und mehr nachhaltig zu gestalten. Ich fing an, mich vegetarisch und schließlich vegan zu ernähren. Außerdem kaufe ich kaum noch neue Produkte, sondern das Meiste gebraucht. Zur Fortbewegung nutze ich das Fahrrad oder den Zug. Als ich letzten Herbst und Winter die Waldbesetzung im Dannenröder Forst verfolgte und schließlich auch Teil des Protests wurde, kam ich zum ersten Mal mit Aktivismus in Kontakt und beschloss, auch lokal in Karlsruhe aktiv werden zu wollen. Im Dannenröder Forst wurde gegen den Bau einer Autobahn, der A49, durch einen alten Mischwald und gleichzeitig ein Natur- und Wasserschutzgebiet protestiert.

Mit dem Thema Nachhaltigkeit habe ich mich schon länger beschäftigt, aber so richtig präsent wurden die Themen Nachhaltigkeit, Umwelt und vor allem auch Klima mit dem Beginn von Fridays for Future. Ganz am Anfang bin ich auf die ersten Demos gegangen, mit noch nicht ganz so viel Plan vom Thema Klima, obwohl es mich vorher schon interessiert hat. Aber durch die netten Strafarbeiten in der Schule, die wir machen mussten, wenn wir auf den Demos waren, habe ich mich immer mehr in das Thema eingearbeitet. 

Was machst du sonst noch privat um nachhaltiger zu leben? Welche Tipps kannst Du geben?

Natürlich gibt es viele Möglichkeiten sein eigenes Verhalten möglichst nachhaltig zu gestalten. Für mich sind die wirkungsvollsten Ansätze die Ernährung, die Mobilität, aber auch der allgemeine Konsum von Waren. Mindestens genauso wichtig wie das Individualverhalten sind jedoch die richtigen Rahmenbedingungen der Politik für Gesellschaft und Wirtschaft. Unternehmen müssen zur Verantwortung gezogen werden, da deren Geschäftsmodelle oft alles Andere als nachhaltig sind. Ich bin mir sogar sicher, dass mit unserer aktuellen Wirtschaftsweise wirkliche Nachhaltigkeit überhaupt nicht möglich ist.

Seit wann plant ihr schon das Klimacamp in Karlsruhe und wie lange hat es dann gedauert, die Idee umzusetzen?

Von der ersten Idee bis zum ersten Planungstreffen sind etwa zwei Wochen vergangen. Die konkrete Planungsphase bis zum tatsächlichen Start hat dann nochmal etwa drei Wochen in Anspruch genommen. Dabei hat auch die Vernetzung mit anderen schon bestehenden Klimacamps in Deutschland geholfen.

Welche Bewegungen und Gruppierungen sind bei dem Planungsprozess involviert?

Das Klimacamp an sich ist von keiner Organisation, sondern von Einzelpersonen organisiert. Viele von uns sind aber in Organisationen wie Fridays for Future, dem Klimakollektiv Karlsruhe, Greenpeace oder der Seebrücke tätig, von denen wir auch teilweise unterstützt werden.

Wie viele aktive Mitglieder habt ihr inzwischen? Wie viele dürfen sich aktuell mit den Corona Verordnungen gemeinsam im Camp aufhalten und dort übernachten?

Wir sehen uns als Gruppe, die für alle Menschen offen ist, die mitmachen wollen. Deshalb ist es auch schwierig, genau zu sagen, wie viele Menschen bei uns momentan mitwirken. Im Planungszeitraum waren wir zwischen 20 und 30 Personen, die aktiv dabei waren. Mittlerweile sind zwischen 40 und 60 Personen mehr oder weniger aktiv involviert und füllen die Camp-Schichten. Im Camp haben wir prinzipiell keine Personenbeschränkung, solange aus Infektionsschutzgründen genug Abstand eingehalten werden kann. Momentan dürfen wir maximal 25 Schlafzelte aufstellen. Meistens übernachten aber deutlich weniger Menschen.

Wie sieht ein typischer Alltagsablauf bei euch aus? Wie bezieht ihr Strom?

Da wir eine Dauerversammlung sind, müssen zu jeder Zeit mindestens zwei Menschen vor Ort sein. Eine Person übernimmt die Versammlungsleitung und ist somit temporäre Ansprechperson für das Ordnungsamt und die Polizei. Da wir schon unschöne Erfahrungen mit alkoholisierten Passant*innen in den Abend- und Nachtstunden gemacht haben, organisieren wir jede Nacht Nachtschichten, damit immer Menschen wach sind.

Ein normaler Tag läuft so ab, dass wir Passant*innen an unserem Infostand ansprechen und auf die Dimensionen der Klimakrise und die nötigen Maßnahmen dagegen aufmerksam machen wollen. Meist entwickeln sich auch schnell interessante und durchaus kontroverse Diskussionen. Oft bieten wir auch nachmittags Workshops oder Vorträge zu verschiedenen Themen an. In Zukunft wollen wir verstärkt Kommunalpolitiker*innen zu Gesprächen mit uns einladen, um über die nötigen Veränderungen auf kommunaler Ebene zu diskutieren.

Unseren Strom beziehen wir aus Solarmodulen, die wir auf der Camp-Fläche stehen haben. Zwei Solarbatterien liefern uns dann, auch wenn es dunkel ist, Strom. Für unsere Essensversorgung erhalten wir sehr viele Essens- und Geldspenden von Unterstützer*innen. Vieles davon erhalten wir aber auch über Foodsharing, was dann gerettete Lebensmittel sind, die sonst weggeworfen würden.

Was ist eure Motivation hinter dem Camp?

Wir fordern die Politiker*innen im Karlsruher Gemeinderat dazu auf, endlich ausreichende Maßnahmen zu beschließen und umzusetzen, um als Stadt einen Beitrag zur Einhaltung des 1,5 Grad-Ziels zu leisten. Die bisher gesteckten Ziele sind dafür schlicht und ergreifend nicht ausreichend.

Deshalb wollen wir Druck ausüben, aber gleichzeitig in den Dialog treten und gesellschaftliche Veränderungen anregen. Das Camp sehen wir als einen Ort, an dem wir unsere Utopien im Kleinen ausprobieren können. So werden bei uns alle Entscheidungen im Konsens getroffen, wofür wir täglich Plena abhalten. Wir wollen Wissens- und Macht-Hierarchien innerhalb unserer Gruppe aktiv entgegenwirken und diese abbauen. Zudem stehen wir für eine Gesellschaft ohne jegliche Art von Diskriminierung, was in jedem Fall auch ein Reflektieren der eigenen Verhaltensweisen erfordert. Das Klimacamp soll neben dem Protest und dem Dialog auch Platz für Vernetzung verschiedener Organisationen und Gruppen in der Klimagerechtigkeitsbewegung bieten.

Seit wann gibt es das Klimacamp schon und wie lange plant ihr zu bleiben?

Das Klimacamp gibt es seit dem 29.05.2021 und wir haben uns bewusst kein konkretes Enddatum gesetzt. Unser Motto ist: Wir bleiben, bis ihr handelt! Demnach werden wir unseren Protest solange durchführen, bis die Stadt Karlsruhe die Dringlichkeit der ökologischen Krisen erkennt und ausreichende Gegenmaßnahmen umsetzt. Trotzdem müssen wir auch auf uns selbst achten, wenn wir nachhaltigen Aktivismus betreiben wollen. Deshalb kann es durchaus sein, dass wir auf andere Aktionsformen umsteigen, wenn wir die nötigen Kapazitäten nicht mehr aufbringen können.

Seht ihr euer Klimacamp als Form des Zivilen Ungehorsams? Wie steht ihr generell zu Zivilem Ungehorsam?

Unser Camp ist eine angemeldete Versammlung. Somit besteht keinerlei Ordnungswidrigkeit darin, sich unserem Protest anzuschließen. Ich persönlich sehe Zivilen Ungehorsam jedoch als legitimes Mittel an, wenn offensichtliches Unrecht geschieht und andere Protestformen ausgeschöpft sind und nicht mehr ausreichen. 

Im Falle der Klimakrise wird Unrecht ausgeübt, indem internationale Verträge, wie das Abkommen von Paris, nicht eingehalten werden und die Freiheit zukünftiger Generationen sowie vieler Menschen in anderen Regionen dieser Erde schon heute eingeschränkt werden. Die Erhitzung der Erde wird nicht ausreichend bekämpft, obwohl die Gefahr schon seit Jahrzehnten bekannt ist und mit lautem Protest darauf aufmerksam gemacht wurde. Das politische System hat hier ganz klar versagt und deshalb ist ziviler Ungehorsam ein legitimes Mittel, um für sozial und global gerechte Klimapolitik zu kämpfen und klimaschädliche Prozesse zu blockieren.

Glaubt ihr, dass einzelne Politiker*innen gerne genug machen wollen? Oder glaubt ihr, dass diese das Problem der Klimakrise immernoch nicht richtig verstanden haben?

Dass einige Politiker*innen den Ernst der Lage verstanden haben bezweifle ich nicht. Dennoch werden politische Entscheidungen zu kurzfristig und mit den falschen Prioritäten gefällt. Es wird immer betont, dass wir unseren Wohlstand bewahren müssen und Kapitalinteressen berücksichtigt werden müssen, um Wirtschaftswachstum zu generieren. Klimaschutz findet nur statt, wenn er diese Ziele nicht beeinträchtigt. Dass die Klimakrise unseren Wohlstand weitaus mehr einschränken und mehr Kosten verursachen wird als die nötigen Gegenmaßnahmen haben bisher scheinbar nur sehr wenige verstanden.

Findet ihr, dass einzelne Parteien und deren Ideen im Bundestag ambitioniert genug sind?

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die momentanen Regierungsparteien, CDU und SPD, den Klimaschutz stark ausgebremst statt beschleunigt haben. Die Lobbyarbeit großer CO2-intensiver Konzerne hat in den Entscheidungsprozessen scheinbar mehr Berücksichtigung gefunden als die Interessen der Allgemeinheit. Aber auch die Grünen bleiben weit hinter meinen Erwartungen zurück. Man sieht es ja – am Bau der A49 durch einen gesunden Mischwald unter einem grünen Verkehrsminister in Hessen oder bei der besonders autofreundlichen Politik in Baden-Württemberg unter einem Grünen Ministerpräsidenten. 

Insgesamt bin ich von allen Parteien enttäuscht. Denn selbst wenn ambitionierte Ziele gesteckt werden, bleiben sie das meist nur auf dem Papier. Wir wollen im Klimacamp explizit keinen Wahlkampf für Parteien machen. Für echte Klimagerechtigkeit braucht es die gesamte Gesellschaft. Dennoch gibt es natürlich Parteien, die in Sachen Klimaschutz mehr zu bieten haben als andere.


Übrigens: Am 16. September befragen wir die Direktkandidaten der verschiedenen Parteien im Rahmen einer Podiumsdiskussion bei uns im Camp zu ihren Ambitionen beim Klimaschutz. Alle, die das interessiert, laden wir um 17 Uhr herzlich ein, zu kommen.

Was sind eure Forderungen an die Stadt? Was konkret kritisiert ihr an der Klimapolitik von Karlsruhe?

Wir stellen drei Kernforderungen an die Stadt Karlsruhe:

Die Stadt soll sich ein CO2-Budget setzen, das mit dem 1,5 Grad-Ziel vereinbar ist, und dieses auch einhalten.

Das Klimaschutzkonzept der Stadt Karlsruhe sieht momentan Klimaneutralität bis 2050 vor. In diesem Plan wird aber weit mehr CO2 emittiert, als der Anteil des globalen CO2-Budgets für die Einhaltung des 1,5 Grad Ziels, der der Stadt eigentlich aufgrund ihrer Einwohner*innenzahl nur zusteht. Wir fordern deshalb die Stadt dazu auf, sich ein CO2-Budget zu setzen, das dem Klimaschutzabkommen von Paris gerecht wird, und dieses auch einzuhalten. Das würde bei linearer Emissionsreduktion Klimaneutralität bis spätestens 2030 bedeuten.

Die Umgestaltung des öffentlichen Raums hin zu einer lebenswerten und klimafreundlichen Stadt.

Unter einer lebenswerten Stadt stellen wir uns eine Gestaltung des öffentlichen Raums für die Menschen, die hier leben vor. Dazu gehört für uns eine weitgehend autofreie Innenstadt, um Flächengerechtigkeit herzustellen und Platz für neue soziokulturelle Treffpunkte zu schaffen. Außerdem fordern wir eine kostenfreie Nutzung des ÖPNV sowie Flächenentsiegelung statt weiterer -versiegelung. Zusätzlich wollen wir deutlich mehr Stadtbegrünung an öffentlichen Orten

Die Veränderung muss transparent, sozial gerecht und unter Bürgerbeteiligung stattfinden.

Da die Politik in Sachen Klimaschutz bisher weitgehend versagt hat, wollen wir neue Wege gehen, um politische und gesellschaftliche Entscheidungsprozesse gerechter, repräsentativer und mehr am Gemeinwohl orientiert zu gestalten. Deshalb fordern wir die Stadt dazu auf, einen Bürger*innenrat in Karlsruhe einzuberufen, um nach dem Vorbild des bundesweiten ‘Bürgerrat Klima’ aus der Gesellschaft heraus die notwendigen Maßnahmen zur Einhaltung eines gerechten CO2-Budgets in Karlsruhe zu erarbeiten. Den Gemeinderat fordern wir dazu auf, dieses Anliegen zu unterstützen und die Maßnahmen am Ende umzusetzen.

Übrigens: Die Forderungen sind in voller Länge auf unserer Website veröffentlicht.


Richtet sich der Protest auch an den*die individuelle Konsument*in?

In erster Linie richten wir unseren Protest und unsere Forderungen klar an die Politik. Zwangsläufig brauchen wir jedoch auch tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen. Deshalb wollen wir durch Vorträge und Workshops Bildungsmöglichkeiten anbieten und im Camp einen Ort für Diskussionen schaffen. Einen Bürger*innenrat sehen wir außerdem als Möglichkeit an, verhärtete Fronten innerhalb unserer Gesellschaft aufzubrechen und zu konstruktiven Diskursen anzuregen.

Denkt ihr, dass die Stadt überhaupt die notwendigen Kapazitäten hat um die Forderungen selbst umzusetzen?

Es mangelt der Stadt nicht an Kapazitäten, sondern am politischen Willen. Natürlich sind die finanziellen Mittel der Stadt begrenzt. Ausreichender Klimaschutz ist aber immer machbar, sofern die richtigen Prioritäten gesetzt werden.

Wie realistisch seht ihr es, dass die Stadt zeitnah handelt und ihr euren Protest beenden könnt?

Zwei Jahre Fridays for Future in Karlsruhe haben nicht dazu geführt, dass deren Forderungen umgesetzt wurden. Demnach stellen wir uns nicht darauf ein, dass die Stadt zeitnah auf unsere Forderungen eingeht. Auf der anderen Seite erkennen die Politik und die Gesellschaft jedoch die immer dramatischer werdenden Ausmaße der Klimakatastrophe. Den Menschen wird immer mehr bewusst, dass sich etwas verändern muss. Es kann also durchaus sein, dass auch die Stadt bald merkt, dass ihre bisherigen Bemühungen nicht ausreichend sind. Die Frage ist nur, ob es dann nicht schon zu spät ist, um die schlimmsten Folgen abzuwenden.

Inwiefern hattet ihr schon Probleme mit den Behörden der Stadt? Mit welchen sonstigen Probleme hattet ihr noch zu kämpfen?

Bisher hatten wir mit dem Ordnungsamt und der Polizei wenige Probleme. Das Camp stellt ja einen legalen und legitimen Protest dar, was auch in anderen Städten schon durch Gerichtsentscheide bestätigt wurde. Das größere Problem stellen da eher alkoholisierte Passant*innen in den Nachtstunden dar, die mit aggressiver Grundstimmung oftmals rumpöbeln. Deshalb organisieren wir nachts eine Nachtwache.

Wie waren die bisherigen Reaktionen auf euren Protest?

Wir erhalten im Großen und Ganzen sehr positives Feedback von Passant*innen. Die meisten Menschen finden Klimaschutz ja auch gut. Wo die Meinungen dann auseinandergehen, sind die konkreten Maßnahmen und deren Umsetzung. Menschen stehen tiefgreifender Veränderung nun mal meistens eher kritisch gegenüber. Tatsächlich haben uns auch schon Abgeordnete einzelner Parteien besucht, um uns in unserem Protest zu bestärken. Das sind bisher aber nur verbale Bekundungen. Natürlich gibt es auch vereinzelt Stimmen gegen uns oder Menschen, die unseren Protest belächeln. Damit müssen wir man aber rechnen, wenn wir in der Öffentlichkeit für etwas protestieren.

Was erhofft ihr euch von der Stadt Karlsruhe und ihren Bewohner*innen?

Von der Stadt erhoffen wir uns natürlich das Aufgreifen und Umsetzen unserer Forderungen. Selbst wenn die Stadt ihre Klimaschutzziele verschärfen sollte, reicht uns das aber noch nicht, denn Ziele formulieren ist das eine, aber das, was zählt, ist die Umsetzung von wirksamen Maßnahmen. 
Von den Bewohner*innen Karlsruhes wünschen wir uns, mehr Druck auf die Politik auszuüben, damit diese die Dringlichkeit unseres Anliegens versteht. Generell wünschen wir uns von westlichen Industriegesellschaften, die eigene privilegierte Stellung und die Verantwortung, die damit einhergeht, zu erkennen. Denn die, die die Klimakrise als erstes und am heftigsten abbekommen, sind diejenigen, die am wenigsten dazu beigetragen haben. Deswegen reden wir auch nicht nur von Klimaschutz sondern Klimagerechtigkeit.

Inwiefern seht ihr schon Veränderungen durch euer Klimacamp? Welche Erfahrungen habt ihr bereits gesammelt?

Wir sind jetzt seit über 100 Tagen hier. Viel passiert ist in dieser Zeit von Seiten der Stadt aber nicht. 

Eine konkrete Sache, an der wir momentan arbeiten, ist der Protest gegen den Weiterbetrieb des alten von der EnBW betriebenen Kohlekraftwerks RDK 7 im Rheinhafen. Die Landesregierung könnte, sofern der politische Wille da ist, die Verlängerung der Wassergenehmigung verhindern und somit das Kraftwerk nächstes Jahr stilllegen. Wir reden da von jährlich mehreren Millionen Tonnen CO2-Emissionen durch einen Kohlemeiler, dessen Betrieb für die Grundversorgung irrelevant ist. Im Camp haben wir schon über 2000 Unterschriften gesammelt, um Druck auf die Landesregierung aufzubauen. Die Stadt konnten wir immerhin dazu bewegen, im Oktober über eine Stellungnahme zu beraten.

Die Organisation dieses Protests selbst erfordert natürlich auch viele Kapazitäten. Damit wir noch mehr Druck aufbauen und inhaltlich weiterarbeiten können, sind wir auch super dankbar, wenn sich noch mehr Menschen unserem Protest anschließen.

Was muss passieren, dass ihr das Camp als Erfolg anseht? Und wenn es keinen Erfolg zeigt, welche Art des Protests wollt ihr dann machen?

Ich denke, alleine die Aufrechterhaltung des Camps über die letzten 100 Tage ist schon ein großer Erfolg gewesen, weil wir sichtbar sind und Menschen für das Thema Klimaschutz weiter sensibilisieren konnten. Zusätzlich findet durch unser Camp die Vernetzung verschiedenster Akteur*innen statt. Momentan ist sogar seitens der katholischen und evangelischen Kirche in Karlsruhe ein ökumenischer Gottesdienst auf unserem Gelände in Planung.

Was ist euer Endziel bezüglich des Klimacamps?

Unser Ziel ist es, einen Beitrag gegen die Klimakrise zu leisten. Die Umsetzung unserer politischen Forderungen würde natürlich die schnellsten Ergebnisse hervorrufen aber auch im Kleinen können wir durch die täglichen Gespräche mit Passant*innen zu einer gesellschaftlichen Veränderung beitragen. Ein Endziel gibt es nicht wirklich, denn der Einsatz für eine gerechtere Welt ohne Diskriminierung und Ausbeutung von Mensch und Natur endet auch nicht mit dem Erreichen von Klimaneutralität.

Glaubt ihr, dass die Themen Umwelt und Nachhaltigkeit nur aktuell im Vordergrund stehen oder für wie realistisch haltet ihr es, dass sich künftig ein generelles Bewusstsein der Menschen entwickelt?

Es ist zwangsläufig notwendig, dass sich ein generelles Bewusstsein dafür entwickelt. Wir schützen mit unserem Anliegen nicht nur das Klima und die Umwelt sondern die Menschheit an sich. Durch die Ausbeutung der Natur mögen wir zwar kurzfristig materiellen Wohlstand generieren, aber langfristig berauben wir uns unserer eigenen Lebensgrundlage.

Was sind eure größten Wünsche bezüglich des Klimawandels?

Mein größter Wunsch ist es, dass Politiker*innen und Entscheidungsträger*innen endlich begreifen, dass es schon längst fünf nach zwölf ist und wir keine Zeit mehr zu verlieren haben. Das 1,5 Grad Ziel und der Klimaschutz sollte von allen Nationen auf diesem Planeten als dringlichstes Handlungsfeld anerkannt werden, damit wir die Welt nicht ins Chaos stürzen.

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Redaktion: Lisa Gorré, Jakob Siegmund

Fotos: Karla Maria Wieland

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